Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
1. Kapitel
Schiffsauge
         

    Wir flogen Richtung Morgendämmerung. Ich kauerte oben im Krähennest und versah dort meinen Dienst als Schiffsauge. Vor zwei Nächten waren wir in Sydney ausgelaufen und bislang war uns das Wetter wohlgesonnen gewesen. Prüfend beobachtete ich eine Front dunkler Regenwolken in nordwestlicher Richtung, die wir jedoch bereits hinter uns gelassen hatten. Es sah ganz so aus, als würde unsere Reise zurück nach Löwentorstadt reibungslos verlaufen. Wie ein Ritt auf einer Wolke.
    Am Himmel funkelten die Sterne. Manche Leute behaupten, sie fühlen sich einsam, wenn sie zum Nachthimmel aufblicken. Das ist mir rätselhaft. Dort oben gibt es schließlich jede Menge Gesellschaft. Mittlerweile kenne ich die Namen sämtlicher Sternbilder. Orion. Wolf. Schlange. Herkules. Drache. Mein Vater hat mir Geschichten über sie erzählt. Und wenn ich nun zu ihnen aufschaue, sehe ich eine Galaxie voller Abenteuer, Helden und Bösewichter, die dort oben miteinander wetteifern. Manchmal möchte ich ihnen am liebsten befehlen, ruhig zu sein und mich nicht mit ihrem Geschnatter abzulenken. Ich habe jeden Stern gesehen, der von den Astronomen entdeckt worden ist, und viele andere, die noch keiner von ihnen gefunden hat. Je nach Jahreszeit gibt es auch noch die Planeten. Venus. Merkur. Mars. Und nicht zu vergessen den alten Mond. Mittlerweile kenne ich jede Falte und jede Narbe auf seinem Antlitz.
    Meine Wache war fast vorbei, und ich freute mich darauf, in meine Koje zu klettern, unter die warme Decke zu schlüpfen und tief und fest zu schlafen. Obwohl es erst September war und wir den Äquator überquerten, wurde es nachts oben im Krähennest, das mit hundertzwanzig Stundenkilometern durch den Wind schnitt, sehr kalt. Ich war froh über meinen fleecegefütterten Mantel.
    Mit dem Fernglas suchte ich langsam den Himmel ab. Hier oben in der schützenden Glaskuppel auf dem Rücken der Aurora hatte ich den Himmel ringsum im Blick. Der Beobachtungsposten hatte die Aufgabe, nach Wetteränderungen Ausschau zu halten und nach anderen Schiffen, nach allem, was verdächtig schien. Über dem Pazifikus gab es kaum Verkehr, auch wenn ich vorhin das ferne Flimmern eines Dampfers gesehen hatte, der in Richtung Orient durch die Wellen pflügte. Aber Boote kümmerten uns nicht weiter; schließlich segelten wir dreihundert Meter über ihnen dahin.
    Der Geruch frisch gebackenen Brots wehte zu mir herauf. Tief unter mir in der Kombüse holten sie die ersten Laibe, Brötchen, Zimtwecken, Croissants und Plunderteilchen aus dem Ofen. Ich atmete tief ein. Einen angenehmeren Geruch gab es für mich nicht und mein Magen knurrte vor Hunger. In wenigen Minuten würde Mr Riddihoff die Leiter zum Ausguck hinaufklettern, um mich abzulösen. Dann könnte ich einen Blick in die Kombüse werfen und schauen, ob der Schiffsbäcker willens wäre, sich von ein oder zwei Wecken zu trennen. Das war er fast immer.
    Eine Sternschnuppe sauste über den Himmel. Es war bereits die hundertsechste, die ich in diesem Sommer sah. Ich hatte genau Buch geführt. Baz und ich hatten nämlich einen kleinen Wettkampf laufen und ich lag mit zwölf Sternen in Führung.
    Auf einmal sah ich es.
    Oder vielmehr, ich sah es nicht. Denn zuerst bemerkte ich lediglich einen schwarzen Fleck, dort, wo eigentlich Sterne hätten funkeln sollen. Ich hob erneut mein Fernglas und erhaschte dank des Mondlichts einen kurzen Blick auf das, was dort in der Luft hing.
    Da drüben am Nachthimmel schwebte ein Heißluftballon.
    Seine Lichter waren ausgeschaltet, was mir seltsam vorkam. Der Ballon schwebte etwa dreißig Meter über uns dahin und trieb steuerbord voraus langsam von uns weg. Plötzlich loderte der Brenner auf und stieß eine blaue Flamme hervor, die die Luft in der Ballonhülle einige Sekunden lang erwärmte. Am Steuer war allerdings niemand zu sehen. Vermutlich wurde der Brenner über einen Zeitschalter gesteuert. In der Gondel regte sich nichts. Sie war tief und breit und bot genügend Platz für eine Schlafkoje und jede Menge Stauraum. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals so weit draußen über dem Meer einen Ballon gesehen zu haben. Ich hob das Sprachrohr an den Mund.
    »Hier Krähennest.«
    Ich wartete einen Augenblick, während meine Stimme die Röhre hinabsauste, fünfzig Meter in die Tiefe bis zur Führergondel am Bauch der Aurora.
    »Ja, bitte, Mr Cruse.«
    Ich war froh, dass Kapitän Walken in dieser Nacht Dienst hatte, denn ihn mochte ich viel lieber als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher