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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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anfängliche Eifersucht steigerte sich bisweilen zur Bösartigkeit, und er ließ keine Gelegenheit aus, sie zu kränken, beispielsweise, indem er ihre Galerie als Dorado für Müßiggänger bezeichnete oder – schlimmer noch – als Tante-Emma-Laden für infantile Kritzeleien.
    Von ihrem Verhältnis mit Brodka ahnte Collin nichts, da war Juliette sich ziemlich sicher – jedenfalls bis zu jenem Tag Anfang Dezember, als sie in ihrer Galerie eine Vernissage veranstaltete. Sie hatte eine Sammlung von Kubin-Zeichnungen erworben und präsentierte sie einem ausgewählten Publikum.
    Brodkas Anwesenheit würde nicht weiter auffallen, auch wenn er – wie er sich selbst eingestehen mußte – von expressionistischer Kunst wenig Ahnung hatte; aber diese Ahnungslosigkeit teilte er mit manch anderem der Anwesenden, denen Kunst nur als Vorwand für ein gesellschaftliches Ereignis diente oder als Demonstration vermeintlicher Bildung.
    Juliette wußte inzwischen vom Tod der Mutter Brodkas und auch, daß sein Schmerz sich in Grenzen hielt, wenngleich der Tod in nächster Umgebung stets dazu geeignet ist, einen Menschen aus der Bahn zu werfen – selbst wenn Liebe und Zuneigung zu Lebzeiten des Verstorbenen nicht allzu groß waren.
    Die mysteriösen Umstände jedoch, die mit dem Tod seiner Mutter verknüpft waren, hatte Brodka seiner Geliebten bisher verschwiegen. Er wollte sie nicht beunruhigen, solange er selbst keine Erklärung für all die Ungereimtheiten fand.
    Als Brodka die Galerie betrat, in der sich mehr als hundert Menschen drängten, löste Juliette sich lächelnd aus einer Menschentraube. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug mit Nadelstreifen und schwarze Stilettos, die Brodka so sehr an ihr liebte. Juliette trat auf ihn zu und küßte ihn länger auf den Mund, als schicklich war, was aber in keiner Weise Aufsehen erregte, weil das Küssen und andere Berührungen in diesen Kreisen zu den alltäglichen Umgangsformen gehörten wie andernorts das Händeschütteln.
    »Was ist mit dir? Du humpelst ja«, sagte Juliette und wies auf Brodkas rechtes Bein.
    Der machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Nichts weiter. Kaum der Rede wert.«
    Juliette hakte Brodka unter und führte ihn in eine Ecke, wo es ruhiger war, und wiederholte ihre Frage: »Was ist? Bist du verletzt? Warum sagst du nicht, was los ist?«
    Brodka kannte Juliettes Beharrlichkeit. Er wußte, daß es unmöglich war, ihr etwas zu verheimlichen, an dessen Aufklärung sie interessiert war. Deshalb rang er sich zu einer Erklärung durch: »Mach dir keine Sorgen, Juliette, es wird sich alles aufklären … als Irrtum erweisen. Man … man hat auf mich geschossen.«
    »Wer?« rief Juliette entsetzt. »Was ist passiert?«
    Brodka faßte Juliette an den Oberarmen. »Bitte, mach kein Aufsehen. Es ist ja nichts geschehen. Bloß eine Schramme, nichts weiter. Ich bin ganz sicher, daß ich durch Zufall in eine Situation geraten bin, die …«
    »Zufall?« Juliette lachte schrill. »Du wirst von einer Kugel getroffen und redest von Zufall!«
    »Aber wer sollte auf mich schießen?«
    »Was weiß ich! Wieso haben die Zeitungen nichts davon gebracht?«
    »Weil ich darauf bestanden habe.«
    »Wo ist es passiert?«
    »Vor dem Haus meiner Mutter. Ich habe mich in meinen Wagen in Deckung geworfen.«
    Juliette blickte Brodka prüfend an. »Und was hat die Polizei unternommen?«
    »Die Ermittlungen laufen. Aber der oder die Täter sind im dichten Verkehr untergetaucht. Weiß der Teufel, auf wen die Kerle geschossen haben.« Er zögerte, fügte dann hinzu: »Der Kommissar, der das Protokoll aufnahm, meinte allerdings, es hätte sich um einen gezielten Anschlag gehandelt, um mich zu warnen.«
    »Mein Gott!« Juliette preßte beide Hände vor den Mund. »Dich zu warnen? Wovor? Du verschweigst mir etwas, nicht wahr?«
    Brodka senkte den Kopf wie ein Junge, der beim Lügen ertappt wurde. »Ich wollte dich nicht beunruhigen, Liebes, glaub mir. Ich weiß selbst nicht, in was ich da plötzlich geraten bin. Als ich nach Hause kam und den Anrufbeantworter abhörte, sagte eine fremde Stimme, ich solle aufhören, das Leben meiner Mutter auszuforschen, das sei eine ernste Warnung.«
    An Juliettes zittrigen Bewegungen erkannte Brodka, wie aufgeregt sie war. Immer wieder schüttelte sie den Kopf. Brodka bemerkte, daß ihr Gespräch bereits Aufmerksamkeit erregte; deshalb versuchte er Juliette zu beruhigen und meinte mit betont ruhiger Stimme: »Ich weiß wirklich nicht, um was es dabei
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