Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
Vom Netzwerk:
 
     
     
    Schlafwagen, dachte Philipp
Engel und versuchte, seinen rechten Fuß aus dem linken Hosenbein zu ziehen,
Schlafwagen sind ungeeignet für die Liebe.
    Er ließ sich vorsichtig auf den
mit Sisal ausgelegten Fußboden des Doppelabteils nieder. Nach einigen
Versuchen, die an die Morgenarbeit eines Yoghi erinnerten, gelang es ihm, in
die graue Flanellhose zu schlüpfen. Mit grellem Pfeifen ging der Zug in eine
Kurve. Philipp stand langsam auf, stellte sich breitbeinig vor den kleinen
Spiegel und betrachtete seinen Oberkörper. Er schlug sich mit der flachen Hand
gegen den Bauch und stellte befriedigt fest, daß er keinen hatte.
    »Was machst du, Liebling?«
fragte das Mädchen aus dem unteren Bett. Das klatschende Geräusch hatte es aus
dem Schlummer gerissen.
    Philipp drehte sich nicht um.
Er sah im Spiegel ihre schwarzen Haare auf dem weißen Bettzeug. Und ihr nacktes
rechtes Bein, das unter der Decke hervorguckte. Und ihre schwarze Wäsche auf
dem Hocker. Er dachte: Ein idiotisches Bett. Schmal wie ein Einbaum und genauso
hart.
    »Komm noch einmal, Liebling«,
sagte das Mädchen.
    Philipp antwortete nicht. Er
prüfte sorgfältig den Sitz seiner Krawatte und entschloß sich, den Knoten noch
einmal zu knüpfen. Er spürte einen leichten Schmerz im linken Oberarm, als er
das Krawattenende herumwirbelte. Wir hätten das obere Bett nehmen sollen,
überlegte er, da hätte ich mir den Arm nicht verrenkt. Aber sie hatte ja Angst,
daß wir ‘rausfallen... Er war ärgerlich auf das Mädchen im unteren Bett. Es war
nicht die Verdrossenheit des Mannes danach, es war der Ärger, daß es wieder
passiert war.
    Es passierte ihm immer wieder.
Dabei hatte er sich diesmal geschworen, daß es ihm nicht wieder passieren
würde. Und nun war es doch passiert. Es war einfach nichts dagegen zu machen.
Eigentlich machte er sich gar nicht soviel daraus, zumindest war er nicht
darauf aus. Philipp Engel war alles andere als ein Schürzenjäger. Die Frauen
jagten ihn.
    Das hatte früh angefangen. Vom
Konfirmandenunterricht war er dispensiert worden, weil Pfarrer Giese aus
Philipps Gesangbuch im Laufe eines halben Jahres dreiundvierzig
lavendelduftende Liebesbriefe gefischt hatte. In der Sekunda hatten die Mädchen
darum gewürfelt, seine Banknachbarin zu werden. Beim Tanzstundenabschlußball
hatte Irma Menken in der Toilette aus Eifersucht zehn Abführtabletten
geschluckt, und an seinem sechzehnten Geburtstag war er von Fräulein Hammer,
der Klavierlehrerin, verführt worden. Es war fast selbstverständlich gewesen,
daß er wegen einer Weibergeschichte kurz vor dem Abitur die Schule verlassen
mußte. Und es lag auf derselben Linie, daß ihn ein Jahr später sein Vater mit
dreihundert Mark und einem Vulkanfiberkoffer in den D-Zug nach Hamburg gesetzt
hatte. Zwecks Auswanderung. Vater war maßlos empört gewesen über die Geschichte
mit der Heilsarmeeschwester. Die war eines Abends mit der Sammelbüchse
aufgekreuzt, als Philipp allein daheim war. Am anderen Tag war ein Major der
Heilsarmee erschienen, hatte Ausdrücke wie »Sittenstrolch« gebraucht und außer
der Sammelbüchse auch die »Ehre« der Schwester zurückverlangt. Man hatte ihm
nur die Büchse ausliefern können.
    Philipp Engel fuhr sich mit dem
Kamm durch das Haar und sann wieder einmal darüber nach, woran es liegen
könnte. In New York hatte er deshalb eines Tages Dr. Goldbaum aufgesucht, einen
bekannten Psychiater. Es war nichts dabei herausgekommen, abgesehen von dem
Umstand, daß Mrs. Goldbaum sich nach der achten analytischen Sitzung in anderen
Umständen befand. Amerika! Philipp seufzte. Ausgerechnet in dieses erotische
Notstandsgebiet hatte er damals gehen müssen.
    »Du warst eine Sensation,
Phil«, sagte das Mädchen aus dem unteren Bett.
    »Schon gut«, brummte Philipp.
Er mochte keine Dankschreiben. Er zeigte seinem Spiegelbild die Zähne. Gewiß,
mit seinen blonden Haaren, der geraden langen Nase, dem ziemlich sinnlichen
Mund und dem energischen Kinn sah er nicht schlecht aus. Aber Himmel, so sahen
hunderttausend andere Männer auch aus und hatten ihre Ruhe vor den Frauen.
Seine Gedanken schweiften ab zum gestrigen Abend im Speisewagen.
    »Verzeihen Sie, bitte, ist der
Platz hier noch frei?« Die Schwarze mit dem hellgrauen Chanelkostüm sah ihn
fragend an.
    »Bitte, gnädige Frau«, sagte
Philipp. Er nahm seine Zeitung und las weiter. Über den Zeitungsrand
beobachtete er die Schwarze. Sie hatte die Unterlippe vorgeschoben und
studierte die Speisekarte. Ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher