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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
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gesetzt und auf den Bogen mit
dem Hotelbriefkopf geschrieben: Mein Panther! Wir hatten schöne Tage. Und Nächte!
Ich gehe zurück nach Europa. Mit unserer Heirat wird es nun nichts. Oder
vielleicht doch. Que sera? Dein Jonny... P. S. Friß den Portier nicht, er ist
schuldlos.
    Er hatte den Bogen zusammen mit
500 Dollar in ein Kuvert gesteckt und war aus dem Zimmer geschlichen.
    Als er im Expreß nach New York
saß, hatten ihm die Räder den Text des Telegramms in das Hirn gehämmert: Dein
Vater ist gestorben. Stop. Komm zurück, Philipp. Stop. Ich bin schrecklich
allein. Mutter. Dein Vater ist gestorben. Stop. Komm zurück, Philipp, komm
zurück, komm zurück...
    Philipp blickte auf. Am
benachbarten Grab war eine junge Frau erschienen. Der Trauerschleier bildete
einen effektvollen Kontrast zu ihrem blassen Teint. Vom Aufschlag ihres
schwarzen Kleides schimmerte eine Brillantbrosche. Philipp schätzte die Brosche
auf beiläufig fünftausend. Er überlegte, ob er der jungen Frau sein Beileid
ausdrücken oder sie lediglich um die Plastikgießkanne bitten sollte. Er erhob
sich, machte eine vollendete Verbeugung und schritt über den knirschenden Kies
davon. Nach hundert Metern blickte er sich um. Die Dame in Schwarz blickte ihm
nach. Philipp seufzte. Es war alles nicht so einfach. Mit den Vorsätzen.
    Er bummelte den Steigerweg zur
Stadt hinunter. Auf der Rohrbacher Straße winkte er einem Taxi und ließ sich
bis zur Friedrichsbrücke fahren. Er legte die Ellbogen auf das Brückengeländer
und schaute den Fluß hinauf. Im Gegenlicht der Morgensonne schimmerte die
Barockhaube der Heilig-Geist-Kirche. Da waren die Türme der Alten Brücke. Und
da war das unvermeidliche Schloß. Er liebte diese Stadt. Und er haßte sie
zugleich. Er spuckte in das trübe Wasser des Neckars und wandte sich ab. Er
ging den Staden entlang flußaufwärts. Niemand kannte ihn. Und er erkannte
keinen mehr. Es war eine Heimkehr in die Fremde.
    »Wen darf ich melden, Signore?«
fragte Rossana. Rossana war das neue Stubenmädchen in der Pension »Teutonia«.
Sie war sechzehn und stammte aus Kalabrien.— »Buon giorno, signorina«, sagte
Philipp. Er nahm seinen Hut und stülpte ihn der Kleinen auf das weiße Häubchen.
Er legte ihr den Mantel über die Schulter, drückte ihr den Aufbewahrungsschein
für seine Koffer in die Hand. »Die holst du nachher, mia bella ragazza,
capito?« Er legte seine Hand unter ihr Kinn und gab ihr einen Kuß auf die Nase.
    »Ja, zum Himmeldonnerwetter,
was geht denn hier vor?« Die Stimme einer Frau klang durch den schummrigen
Korridor. »Mein Haus ist keine Absteige! Nehmen Sie Ihre Hände von dem Mädchen.
Ich habe ohnehin kein Personal.« Elisabeth Engel war den Korridor
heruntergekommen. Sie war eine Mittfünfzigerin mit rosiger Apfelhaut. In der
rechten Hand hielt sie einen großen Schlüsselbund. »Wer sind Sie überhaupt, daß
Sie es wagen...«
    »Ich bin es, Mutter«, sagte
Philipp.
    Die Frau blieb wie erstarrt
stehen. Die Schlüssel fielen zu Boden. Ihre Lippen fingen an zu zittern. Sie
ging auf Philipp zu, nahm seinen Kopf in ihre Hände und strich ihm schluchzend
über das Haar. »Mein Bub«, sagte sie, »mein lieber guter Bub...« Sie legte ihren
Kopf an seine Brust und fing haltlos an zu weinen.
     
    Sie hatte ihm sein Leibgericht
gemacht: warmen Zwiebelkuchen mit Speck. Dazu gab es einen Trollingerwein vom
mittleren Neckar. Sie legte ihm das vierte Stück auf den Teller und sagte: »Iß
nur, Phipps, du kannst es gebrauchen.« Sie nannte ihn wieder Phipps. Es war
sein Kosename als Kind gewesen, und er hatte ihn fast vergessen in all den
Jahren.
    »Morgen mache ich dir einen
Rostbraten. Einen Rostbraten mit Spätzle und Salat. Sollst mal sehen, wie der
dir schmecken wird. Wir werden dich schon wieder hinkriegen.«
    »Aber Mutter«, sagte er und
kaute mit vollen Backen, »ich fühle mich pudelwohl.«
    »Ich will gleich mal beim
Scheidle anklingeln, er soll mir ein schönes Stück Lende zurücklegen«, sagte
sie aufgeregt und strich mit den Händen über ihre schneeweiße Küchenschürze.
    Er beobachtete sie, während sie
mit dem Metzger telefonierte. Sie ist alt geworden, dachte er. Daran bist du
schuld, Philipp, mit dem einen Brief im Jahr, und zu Weihnachten ein Päckchen,
und sonst gar nichts.
    Sie schien seine Gedanken
erraten zu haben. »Philipp«, sagte sie leise, »du hast so wenig geschrieben.
Der Briefträger wollte schon nicht mehr zu uns kommen. Weil ich ihn jeden
Morgen so angesehen habe, und er
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