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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Ihnen vermissen. Und wir glauben, die gewesene Mrs. Hold genügend
gekannt zu haben, um uns mit ihr in Übereinstimung zu wissen: von dem ihr
vorschwebenden Schönheitsideal sind Sie, Miß Radke, trotz anerkennenswerten
Strebens, trotz Erreichung der Maße, weit entfernt.«
    Er macht sich ein paar Notizen,
er raschelt mit Papier, das Klopfen seines Bleistifts hat was
Schicksalschweres, er verkündet: »Kraft unseres Amtes als
Testamentsvollstrecker der gewesenen Mrs. Hold verkünden wir, daß keine der
hier anwesenden Erbberechtigten die Bedingungen der Zusatzklausel im Anhang zwo
des Testaments erfüllt. Das Barvermögen in Höhe von fünf Millionen
achthundertvierundsiebzigtausend Dollar verfällt deshalb gemäß Anhang drei dem
Institut für...«
    »Eine Frage, Sir, wenn Sie
gestatten, Sir!« Der Butler John steht plötzlich in der Tür. Er hält ein Baby
im Arm.
    Der Notar blickt indigniert
auf. »Ja, was ist denn?« Er erkennt den Butler und fragt scharf: »Sind Sie
übergeschnappt, John?«
    »Nein, Sir.«
    »Und was ist das da?« Er zeigt
mit dem Bleistift auf das Baby.
    »Das ist Aphrodite. Aphrodite
Cantal, Tochter des René Cantal und der Beatrix Cantal, geborene Sommer, und
nach Paragraph 24 36 Strich römisch zwo ein erbberechtiges weibliches Mitglied
der Mrs. Holdschen Verwandtschaft.«
    »Ja, aber ich verstehe
nicht...«
    »Sie werden verstanden haben,
wenn Sie mir meine vorhin avisierte Frage beantworten, Sir. Das Testament der
gewesenen Mrs. Hold besagt, daß die von ihr gesetzten Idealmaße nicht
überschritten werden dürfen. Ich frage Sie jetzt, dürfen diese Maße unterschritten werden?«
    »Über diesen Punkt hat sich die
Erblasserin nicht ausgesprochen.«
    »Wenn dem so ist, dann
präsentiere ich Ihnen hiermit eine Millionenerbin. Aphrodite erfüllt alle
Bedingungen in idealer Weise: Sie ist jung, sie ist schön, ihr Wesen ist voller
Harmonie, ihre Haut von extremer Zartheit, ihr Gewicht entspricht ihrer Größe,
ihr Lächeln würde Steine erweichen, mit einem Wort...«
    Er kommt mit dem Baby auf dem
Arm auf den Tisch zu. Aphrodite macht »Eeee-grüüü-klix« und strahlt. Es ist ein
Strahlen, dem sich niemand entziehen kann.
    Erika hört auf zu heulen.
    Frau Annegret Radke lächelt,
wenn auch verkniffen.
    Stutterbold schaut verlegen.
    Der Dolmetscher patscht in die
Hände.
    Trixi leuchtet vor Mutterglück.
    Der Notar ist einen Moment in
Gefahr, sich zu vergessen, aber er vergißt sich nicht, sondern sagt unter
Aufbietung letzter Kräfte: »Ich ziehe mich zur Beratung zurück.«
     
    Das Bett mit Amerikas jüngster
Millionärin steht direkt unter dem Picassogemälde, und Trixi findet, daß die
Millionärin eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem Porträt.
    »Bis auf die grünen Haare«,
sagt Stutterbold. »Ich würde Ihnen deshalb raten, lassen Sie nicht bei Picasso
arbeiten.«
    »Leisten könnten wir’s uns
jetzt. Nicht wahr, Schatz.« Trixi blinzelt René zu.
    René ist damit beschäftigt,
Champagner in die goldgeränderten Spitzkelche zu gießen. Er hebt sein Glas:
»Trinken wir den ersten Schluck auf John.«
    »John, Sie sind ein Genie«,
sagt Trixi.
    »Abgesehen von der Tatsache,
daß ich es in aller Bescheidenheit bereits selber glaube, Madame, darf ich mir
den Vorschlag gestatten, den ersten Schluck Aphrodite zu weihen.«
    »Himmel, hat er das wieder
schön gesagt. Auf Aphrodite, also. Schließlich ist sie an allem schuld.«
    »Wer ist denn nun gemeint, das
Baby oder das Schiff?« fragt Tante Annegret spitz und umklammert ihr Glas mit
beiden Händen.
    »Das Baby, das Schiff und die
Göttin. In dieser Reihenfolge, gnädige Frau.« Der Butler schweigt erschrocken,
weil er sich dreist vorkommt, dann bekommt er noch einen Schreck: Er zieht
einen Brief aus der Tasche seines Smokings, der dort seit gestern steckt, und
übergibt ihn Stutterbold.
    Stutterbold überfliegt ihn,
sagt: »Vom Aufsichtsrat. Ich habe Europa bekommen. Mit dem Sitz in Frankfurt.
Generalmanagement von 96 Schönheitssalons in 8 Ländern. Sie bieten mir für den
Anfang fünfhunderttausend.«
    »Dollar?« fragt Frau Radke und
ist zum erstenmal seit gestern nachmittag wieder voll da.
    »Frankfurt«, überlegt
Stutterbold, »Frankfurt ist absolute Spitze. Nur... nur ist mein Deutsch nicht
gut genug.«
    »Erikas Deutsch ist sehr gut,
James«, sagt Frau Radke.
    »Und ihr Englisch ist auch
nicht übel«, sagt Trixi.
    »Sie würden eine Dolmetscherin
sparen«, sagt René.
    »Und eine Haushälterin, und
eine Köchin und eine...«
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