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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
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den
Empfangssalon, der immer noch so groß ist wie ein Tennisplatz und immer noch
dieselbe Aussicht hat auf die Steinwüste Manhattans. Der Himmel im Westen
schimmert in brandigem Rot. Vom Time-Life-Gebäude hebt sich wie ein leuchtendes
Insekt der Hubschrauber, der die Passagiere zum Kennedy-Airport bringt. Leuchtreklamen
flammen von den Spitzen der Wolkenkratzer.
    Er verschwendet keinen Blick
darauf. Er bleibt vor dem Picasso stehen und denkt das, was er beim Anblick des
Gemäldes immer denkt: »Keine Ähnlichkeit mit der Chefin, nicht die geringste,
außerdem hatte sie keine grünen Haare.«
    Er geht wieder zum Fenster
hinüber, hockt sich auf die breite Fensterbank, krault zerstreut Mr. Miller und
läßt sich von Mrs. Brown die Hand lecken.
    »Möpse, Sir«, sagt der Butler
und serviert den Whisky auf einem silbernen Tablett, »Möpse scheinen schnell zu
vergessen. Sogar den Hausschuh unserer gnädigen Frau benagen sie nicht mehr.
Dabei ist es erst ein Jahr her, daß Mrs. Hold Abschied für immer nahm.«
    »Was haben Sie erwartet? Daß
sie sich aufs Grab legen und vor Kummer jaulen? Seien Sie nicht albern, John.«
    »Apropos Grab, Sir. Ich habe
mir erlaubt, einen Besuch auf dem Friedhof abzustatten. Der Todesengel ist sehr
gut ausgefallen. Schlank, ätherisch, einfach schön. Die gnädige Frau hätte sich
bestimmt darüber gefreut.«
    Schlankheit, Schönheit,
Schönheit, Schlankheit, selbst auf dem Friedhof, wie er das alles satt hatte,
bestimmt hatte man auch den Engel nach diesem idiotischen Idealmaß gearbeitet,
Busen 90, Taille 60, Hüfte 90.
    Stutterbold läßt sich in den
Schreibtischsessel fallen, öffnet die mittlere Schublade und holt einen Brief
heraus.
    Er stammt von Erika Radke, und
er liest ihn zum siebzehntenmal. »...Waren die letzten Monate sehr, sehr hart,
und ich bin heilfroh, daß jetzt bald Schluß ist mit der ganzen
Kalorienzählerei. Mamusch hat mich noch auf eine Mannequinschule geschickt von
wegen der Grazie, und ich kann jetzt mit einem Buch auf dem Kopf herumlaufen,
ohne daß es herunterfällt, aber wann braucht man so was schon. Vielleicht
erinnern Sie sich, daß ich nach der Schiffsreise 23 Pfund geschmissen hatte.
Ich habe jetzt noch mal n Pfund runter, macht also 34, und damit bin ich nicht
zu schlagen. Oder? Von Trixi allerdings habe ich während der ganzen Zeit nichts
gehört, sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Ach, James (ich darf Sie doch so
nennen), ich habe oft von Ihnen gesprochen, sehr oft, Mamusch war es ja wohl
nicht so recht, aber das kümmert mich nicht, denn schließlich und endlich...«
    Und so weiter, und so weiter.
Er läßt den Brief sinken und betrachtet eingehend das Foto, das sie beigelegt
hat. Viel zu erkennen ist nicht. Frau Radke schien die falsche Entfernung
eingestellt zu haben. Das einzige, was auf dem Bild scharf ist, ist die
Haustür, vor der Erika steht.
    Er schaut auf seine Armbanduhr.
Morgen würde sie ihm gegenüberstehen. Die Stunde der Wahrheit näherte sich.
Gedanken rasen durch seinen Kopf wie Schnellzüge: 34 Pfund sind eine Menge, und
Mannequinschule hat bestimmt nicht geschadet... Wenn Erika siegte, würde auch
er siegen... Schließlich sprechen Sätze wie »Ach, James, ich habe so oft von
Ihnen gesprochen«, ganze Bände, und mit der Alten würde man schon fertig
werden. Aber was ist mit dieser Trixi? Erika hatte nichts von ihr gehört, ihm
selbst war es in den vergangenen Monaten auch nicht gelungen, mit ihr in Verbindung
zu kommen. Seine Briefe hatte niemand beantwortet. Seine Telefongespräche mit
Stuttgart wurden von der Sekretärin des Metzgereibetriebs »Benedikt Sommer
& Co.« mit vagen Auskünften bedacht.
    »Das Fräulein Beatrix ist
verreist.«
    »Das Fräulein Beatrix hat
nichts hinterlassen.«
    Das Fräulein Beatrix schien
tatsächlich wie vom Erdboden verschluckt. Andererseits hatte sie ihr Erscheinen
telegrafisch zugesagt. James P. Stutterbold, seiner Natur nach mißtrauisch,
wittert Unrat wenn nicht Unheil. Jedenfalls war das Fräulein in seiner
Gleichung eine Unbekannte und konnte dazu führen, daß die Gleichung nicht
aufging. »Haben Sie die Gästezimmer noch einmal kontrolliert, John? Sind die
Orchideen auf dem Nachttisch, der Champagner im Eisschrank?«
    »Es ist alles geschehen, was in
solchen Fällen zu geschehen pflegt, Sir.« Der Butler startet einen vorsichtigen
Versuch, die Ming-Vase doch noch unter das Picasso-Portrait zu placieren, wird
aber von einem Blick Stutterbolds gestoppt.
    »Hoffentlich haben Sie auch
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