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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Parfüm wehte zu ihm herüber. Er schnupperte
fachmännisch. Lanvin, dachte er. Lanvin pour la nuit. Es war
immer etwas mühsam gewesen, die Etiketten von den Originalflaschen zu lösen, um
sie auf die Imitationen zu kleben. Damals in Dodge City am Arkansas River. Ein
glänzendes Geschäft übrigens. Lang war es her. Lanvin paßte übrigens
nicht zu der Schwarzen. Viel zu leicht, viel zu pfirsichkühl. Dieser Typ
brauchte etwas Exotisches, etwas, das nach kostbaren Hölzern roch. Kalispera vielleicht. Oder das neue Dior.
    »Huhn mit Reis und frischen
Champignons«, sagte sie zu dem wartenden Ober. »Dazu ein Glas Mosel.«
    »Der Reis ist nicht trocken,
und die Champignons sind aus der Büchse«, sagte Philipp und ließ seine Zeitung
sinken.
    »Wie bitte?« Das Mädchen sah
überrascht auf.
    »Verzeihung, es geht mich
nichts an, gnädige Frau, aber ich denke, Sie sollten Würstchen nehmen. An
Würstchen können die hier nichts verderben.«
    Der Kellner schaute ihn
irritiert an.
    »Und den Mosel streichen wir
auch. Kein Wein hält die Tortur aus in einem D-Zug. Er braucht Ruhe, die Ruhe
des kühlen Kellers. Und die hat er hier nicht.«
    »Na also, dann...« Sie schien
jetzt gänzlich verwirrt.
    »Bringen Sie Würstchen mit
Kartoffelsalat und eine Flasche Bier«, sagte Philipp. Der Kellner zuckte mit
den Schultern und verschwand.
    Während sie aß, stellte er
fest, daß überall noch Plätze frei waren. Er verschwendete keinen Gedanken
daran, warum sie ausgerechnet an seinen Tisch gekommen war. Er war es so
gewohnt. Sie klappte ein mit Bernstein belegtes Zigarettenetui auf. Er ließ die
Flamme seines Gasfeuerzeugs zischen. »Sind Sie Fachmann?« fragte sie und machte
eine vage Geste in Richtung Speisewagenküche.
    »Fachmann«, sagte er zögernd,
»nun, in gewisser Hinsicht schon.« Er sah ihr in die Augen und sagte:
»Jedenfalls habe ich genug Fachkenntnis, um festzustellen, daß Sie sehr schön
sind.«
    Sie wurde rot und senkte den
Kopf. Der alte Spruch, er wirkte also auch in der alten Heimat. Er hatte noch
ein paar davon vorrätig. Er wollte gerade sagen: Ich weiß nicht, aber Sie sind
mir so vertraut, als wären wir uns in einem früheren Leben schon einmal
begegnet— was ebenfalls enorm wirksam war— , da biß er sich auf die Zunge.
»Erzählen Sie etwas von sich«, sagte er und merkte gar nicht, daß auch dieser
Satz zum Repertoire gehörte.
    Sie antwortete genau mit dem
Satz, den er erwartet hatte: »Ach, was gibt es da viel zu erzählen? Sie haben
bestimmt mehr erlebt.«
    Das stimmte sogar. Er hatte
einiges hinter sich. Er zündete sich eine amerikanische Zigarette an und
bestellte bei dem immer noch irritierten Kellner eine halbe Flasche Whisky. Er
füllte die Gläser mit dem tabakfarbenen Getränk und stellte die Flasche in den Haltering.
    »Cheers!« sagte Philipp und hob
das Glas. Er genoß den starken, reinen Geschmack des Whiskys. Zwölf Jahre,
dachte er, sind zwölf Jahre. Gerade zwanzig war er gewesen, als er damals
weggegangen war. In ein paar Stunden würde er seiner Mutter gegenüberstehen. Er
sah sie am Fenster stehen und die Straße hinaufblicken, so wie sie es immer
getan hatte, wenn er abends lange ausgeblieben war. Mutter, dachte er, alte
Dame. Er nahm rasch einen Schluck Whisky, um nicht sentimental zu werden.
    »Woran haben Sie gedacht,
Herr...«
    »Engel«, sagte er, »Philipp
Engel.« Er wunderte sich, mit welcher Selbstverständlichkeit er seinen
richtigen Namen nannte.
    »Haben Sie an Amerika gedacht?«
fragte sie, ohne sich vorzustellen. »Ich hörte, wie Sie vorhin mit dem
Schlafwagenschaffner englisch sprachen. Englisch mit amerikanischem Akzent.«
    »Erraten!« sagte er.
    »Was haben Sie drüben gemacht,
Herr Engel?« fragte sie.
    »Ich hatte einige führende
Positionen«, sagte er und dachte an die Zeit als Straßenbahnführer in San
Francisco, als Museumsführer in New York und als Reiseführer in Florida.
    »Und was hat Sie nach Europa
zurückgetrieben? Verzeihen Sie meine Neugierde.«
    »Ich soll das Werk meiner alten
Herrschaften übernehmen«, sagte er und dachte an das »Fremdenheim Teutonia«. So
hieß die Pension in der Heidelberger Altstadt. Viel Geld hatte seine Mutter nie
damit gemacht. Aber mit Vaters kleinem Beamtengehalt allein wäre man nicht
ausgekommen. Wie hoch würde ihre Witwenpension wohl ausfallen? Er trank den
Rest des Whiskys und sah sich um. Sie waren die letzten im Speisewagen. »Ich
glaube, wir sollten jetzt auch, Fräulein…«
    »Branka«, sagte sie
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