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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Sieges. Denn das, was sie
gesehen hat, genügt ihr.
    Erika zündet sich wieder eine
von ihren schwarzen Zigaretten an. Sie inhaliert und spürt ihr Herz bis zum
Hals hinauf klopfen. In wenigen Minuten würde sie Millionärin sein. Soviel stand
fest. Soviel mußte selbst ein Blinder erkannt haben, als Beatrix durch den Raum
gegangen war. Plötzlich spürt sie Mitleid mit der armen Kusine. Arm, ja, das
war das richtige Wort.
    »Mamusch«, sagt sie, »wir
sollten nicht kleinlich sein. Also was Trixi betrifft. Immerhin sind wir
Verwandte und...«
    »Pssssst!« macht Frau Annegret,
weil Trixi in diesem Moment wieder zurückkommt.
    Die Hausdame übergibt dem Notar
ein verschlossenes Kuvert. Der Notar öffnet es, liest und verkündet: »Nach den
unter Aufsicht zweier vereidigter Zeugen vorgenommenen Messungen der Mrs.
Beatrix Cantal, geborene Sommer, ergeben sich folgende Maße: Busen gleich 98,
Teille gleich 78, Hüfte gleich 106.«
    »98— 78— 106«, wiederholt
Trixi, »o Gott, o Gott, da muß ich doch wieder ein Pfündchen zugenommen haben.«
Sie blickt an sich herunter und schüttelt mit dem Kopf.
    Beatrix Cantal, Tochter des
Metzgerehepaars Benedikt Sommer und Frau, hat sich in der Tat nicht verändert.
»Du mußt jetzt für zwei essen, ma petite«, hatte die französische Schwiegermutter
gesagt, als sie das Kind trug. Und als sie es nicht mehr trug, hatte der
französische Schwiegervater gesagt: »Du mußt jetzt wieder zu Kräften kommen, ma
chérie.«
    »Ich darf jetzt Miß Erika Radke
bitten«, sagt Stutterbold, und seine Stimme ist so belegt, daß er dreimal
hüsteln muß. Er schaut Erika nach, hoffend, heischend, er preßt seine Daumen,
bis sie schmerzen. »Sie ist ein Schatz«, denkt er, »ein wirklicher Schatz«, und
hätte eigentlich hinzudenken müssen: »Ein Schatz von 5,8 Millionen.«
     
    Im kleinen Salon sitzt René
Cantal und wartet. Er wartet, weil er nicht zu den Erbberechtigten gehört, und
weil Nicht-Erbberechtige dort nichts zu suchen haben, wo es um das Erbe geht.
Ab und zu geht die Tür auf. Der Butler John kommt herein und übermittelt die
neuesten Meldungen vom Ort des Geschehens.
    »Miß Erika Radke ist soeben in
den Testraum gebeten worden«, sagt er, und es klingt, als schildere ein
Rundfunkreporter die Ankunft des Champions im Ring. »Und soweit ich meinen
Augen trauen kann, Sir, wird sie weniger auf die Waage bringen als Madame
Cantal, Madame Cantals Maße waren übrigens...«
    »Die kenne ich.« René winkt ab.
»Machen Sie uns lieber noch einen Drink, John.«
    »Uns?«— »Uns!«
    »Wie Sie wünschen, Sir.« John
mixt zwei Highballs und nickt dabei bekümmert mit dem Kopf: Er hatte es ja
kommen sehen, gestern das Händeschütteln, heute ein gemeinsames Prost mit der
Herrschaft, der Zerfall der Sitten war nicht mehr aufzuhalten.
    »Schmeckt immer wieder«, sagt
Cantal und setzt sein Glas ab. Er steckt sich einen jener schmalen Zigarillos
in den Mund, die unter dem Namen »Krumme Hunde« bekannt sind und bittet John um
Feuer. Er kriegt keines.
    »Wenn ich eine Tochter hätte,
Sir, würde ich es vorziehen, in Gegenwart meiner Tochter nicht zu rauchen,
Sir.«
    »Vielleicht haben Sie recht,
John.« Cantal steckt seinen Zigarillo wieder weg.
    Der Butler ist auf Zehenspitzen
an das Kinderbett herangeschlichen. Er beugt sich über das Baby. Das Baby hat
Trixis Augen, Renes Nase, und außerdem hat es den rechten Daumen im Mund. Es
starrt den großen fremden Mann an, fuchtelt mit den Händchen und macht:
»Eeeee-grüüüü, klix.«
    »Ihr Fräulein Tochter kennt
mich schon, Sir«, sagt John und versucht, seine Begeisterung zu unterdrücken.
»Nicht wahr, wir kennen uns«, wendet er sich an das Baby, das wieder
»Eeeeee-grüüüüü, klix« macht.
    »Was heißt Eeee-grüüü-klix
eigentlich, Sir?« fragt John ganz ernsthaft.
    »Eeeee-grüü-klix?« Cantal
überlegt angestrengt. »Trixi würde es bestimmt wissen.«
    »Apropos Trixi..., ich meine,
Madame Cantal. Wie ich bereits vorhin anzudeuten wagte, hat es den Anschein,
als wenn Madame nicht in den Besitz des Erbes kommen wird. In diesem Falle
würde Ihrer Tochter jenes Startkapital versagt bleiben, mit dem sich die
Karriere, genannt das Leben, wesentlich leichter absolvieren ließe, Sir.«
    Nett von Ihnen, John, daß Sie
sich darüber Gedanken machen. Aber schließlich hat das Kind ja auch noch einen
Vater.« Er streckt unwillkürlich seine Brust heraus.
    »Gewiß, Sir, das hat es. Aber
ein Schiffsoffizier ist ein Schiffsoffizier, und ein
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