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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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Entweder, er entschied sich für Santino, oder für Marielle? Sie hielt eine Zeit lang seinen Blick fest, dann zuckten ihre Lippen, bis sie lachte.
    »Du solltest dich im Spiegel sehen.«
    »Ja, weil ich mir Sorgen mache!«
    »Aber ich habe mir doch längst eine Lösung ausgedacht.« Sie sprang auf, breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Falls du es vergessen hast, ich bin die Königin der Torformer.«
    »Außer in Dämmer-Detroit.«
    »Ich wusste, dass du das sagst.«
    Er grinste und pflückte ihr noch ein Gänseblümchen.
    Huldvoll nahm sie es entgegen. »Diese Welt mit dem See und der Mauer, das Ddraighen-Tal, weißt du noch?«
    »Wo wir von Dämmer-Detroit aus gelandet sind.«
    »Ich habe im Depot ein neues Tor gemacht. Ins Ddraighen-Tal. Hier ist der Schlüssel.« Sie ließ eine ziselierte Silberperle in seine Hand fallen. »Ich habe auch eine. Die dritte bekommt Santino. Falls du deiner Mutter eine geben willst, ich habe noch eine ganze Kette davon. Nachdem der Buchstabensammler gleich dortbleiben wollte, hat Santino die Neugier gepackt. Er hat sich das Tal angesehen, vor allem das Land auf der anderen Seite der Berge. Er sagt, es wäre perfekt.«
    »Perfekt wofür?«
    »Um dort sein Refugium zu errichten. Wir wären nur zwei Tore voneinander entfernt. Wir können uns sehen, wann immer wir wollen, und niemand wird eine Verbindung zu Níval ziehen, weil der Weg durch den Kern führt. Durchs Depot.«
    Der Knoten löste sich wieder. Er ließ sich rücklings ins nasse Gras sinken und zog Marielle mit sich zu Boden. Ihre Locken kitzelten ihn im Gesicht wie ein goldener Vorhang.
    »Weißt du was?«, murmelte er. »Wenn dein Vater will, dass ich einen Drachenhort für dich ausraube, ich würde es tun. Für dich würde ich es machen. Egal, wie groß der Drache ist.«

Ddraighenryn.
Im Scharlachrot.
    Der Pavillon war uralt und aus grob behauenen Steinen errichtet. Acht Säulen trugen eine halbrunde Kuppel. Im Zentrum klaffte ein Brunnenloch. Es reichte tief in die Erde hinunter, vielleicht in eins der antiken Gewölbe, die den Untergrund von Ddraighenryn durchtunnelten wie Wurmlöcher ein morsches Stück Holz.
    Santino kniete sich auf den Boden und wischte mit der Hand über die Steine. Staub hatte sich in den feinen Linien festgesetzt, doch sobald er darüberrieb, kehrte der Glanz zurück. Orichalcum, das mystische Metall. Die Muster glichen denen auf den Kerkerwänden unter dem Tíraphal. Umo hatte recht. In dieser Welt hatten einst Fayeí gelebt.
    Er hatte gehofft, den Zirkelmagier noch einzuholen, doch im Ddraighen-Tal auf der anderen Seite der Berge fand sich keine Spur mehr von seinem alten Meister. Umo war weitergezogen.
    Er blickte auf und kniff die Augen zusammen, als die Sonne sich hinter den Wolken hervorschob und ihn blendete. Die Bergketten leuchteten wie in Glasstaub gehüllt.
    Ein Stück hügelabwärts hatte er ein altes Anwesen entdeckt, mit soliden Mauern und einem Dach aus Stein, das immer noch Wind und Wetter abhielt. Ein Hain wilder Obstbäume wuchs hinter dem Haus. Zwischen den Bäumen floss ein Bach, das Wasser war frisch und eisig. Und das Gewebe dieser Welt schmiegte sich ihm willig in die Hände, sobald er seinen Geist ausstreckte. Eine perfekte, vergessene Sphäre. Selbst Coinneach hatte sie nur zufällig entdeckt und sein Geheimnis niemals mit jemandem geteilt.
    Santino richtete sich wieder auf, nahm Mantel und Schwert und stieg den grasigen Abhang hinab. Der Gedanke an sein Haus in Tír na Mórí riss eine schmerzliche Leere in ihm auf. Er würde die Blumen vermissen. Vielleicht konnte er auf diesem Hügel welche ansäen und sie mit einem kleinen Ruck im Gewebe zum Wachsen bringen. Das Klima dieser Welt gab sich rauer und kälter als der ewige Frühling in Níval. Die Wiesen und die Kronen der Bäume leuchteten grün auf dieser Seite der Berge, doch er vermutete, dass ihm zu anderen Zeiten des Jahres ein eisiger Winter bevorstand. Er hatte die Kamine im Haus gesehen.
    In seiner Schulter, wo die Wunde verheilte, pochte ein unablässiger Schmerz. Er hatte die Stelle betastet und stundenlang im Spiegel studiert, ohne herauszufinden, was Felím ihm angetan hatte. Er war so weit gewesen, sein eigenes Fleisch mit einem Messer aufzuschneiden, doch allein die Berührung der Klinge riss eine so entsetzliche Qual in der Wunde auf, dass er fast das Bewusstsein verlor. »Rhonda«, flüsterte er in den Wind.
    Ihre unstillbare Rachsucht am Imperium suchte ihn in seinen Träumen heim. Sie würde
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