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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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Niederschlagung der Rebellion im Tíraphal hatte er sie nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen, und das nur für eine kurze gestohlene Stunde. Im Palast herrschte Chaos, und sie wollte ihrem Vater nicht noch den letzten Nerv rauben, indem sie sich schon wieder alle naselang aus dem Staub machte.
    »Hey«, murmelte er.
    Sie lächelte und kam ihm entgegen. Zwischen zwei Säulen blieben sie stehen. Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Er fasste nach ihrem Nacken, vergrub seine Finger in ihren Seidenlocken und zog sie fest an sich.
    »Ich habe dich schrecklich vermisst.« Inzwischen war es ihm auch nicht mehr peinlich, ihr das zu sagen.
    »Ich dich auch. Wie geht’s deiner Mom?«
    »Sie packt ihre Sachen.«
    »Ich weiß. Sie hat mir gesagt, dass du hier bist.« Marielle kicherte. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich gleich nach dir gerufen. Sie ist übrigens sehr nett, deine Mom. Ich mag sie.«
    Misstrauisch sah er sie an. »Du hast sie doch nur ganz kurz gesehen.«
    Sie schüttelte den Kopf, dass ihre Haare flogen. »Ich war heute Morgen schon bei dir. Sie hat mir heiße Schokolade gemacht und mir alles von dir erzählt. Auch was du als Baby angestellt hast.«
    »Oh Gott.«
    »Deine Kinderfotos sind süß.«
    »Bestimmt nicht so süß wie deine.«
    »Von mir gibt es nur Statuen und Ölgemälde.« Sie verzog die Lippen. »Die sehen schrecklich aus.«
    Nessa tauchte auf und schmeichelte sich an Marielles Beinen entlang. Er bückte sich und versuchte sie zu streicheln. Sie ließ ihn gnädig gewähren. Ein gutes Zeichen.
    Nebeneinander liefen sie die Halle hinunter, schlüpften ins Café und auf der anderen Seite hinaus zu den alten Bahnsteigen. Grün und weiß leuchteten die Büsche zwischen den Gleisen. Das Kirschbäumchen, das dort stand, hatte zu blühen begonnen. Auf den Grashalmen funkelten Regentropfen.
    »Willst du wissen, was mein Vater sagt?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung, ob ich das wissen will.« Er streichelte mit dem Daumen über ihr Handgelenk. Vor seinem Abschied aus dem Tíraphal hatte Eoghan ihn noch einmal beiseitegenommen und ihm deutlich gemacht, was er von der überfallartigen Verlobung mit seiner Tochter hielt. Nessas Rat noch im Ohr, hatte Ken daraufhin gefragt, ob er Marielle den Hof machen dürfe, was immer das auch bedeutete. Und Eoghan hatte ihn mit den Worten stehen lassen, dass er darüber nachdenken werde.
    Mehr nicht.
    »Mein Vater sagt, er will dich sehen. Um dir zu erklären, wie du dich zu benehmen hast, wenn du dir bei deiner Brautwerbung auch nur die leiseste Hoffnung auf Erfolg machen willst.«
    »Ich dachte, wir sind schon zusammen?«
    »Wir haben Vaters Segen noch nicht.« Sie verzog einen Mundwinkel. »Hatte ich schon erwähnt, dass wir ein sehr traditionsbewusstes Volk sind?«
    »Aber einen Drachenhort muss ich nicht für dich ausräumen?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Nur so.«
    Nessa guckte lieb und schnurrte aus Leibeskräften.
    Marielle sprang herab ins Gras und zog ihn hinter sich her. Gemeinsam ließen sie sich auf den Boden sinken. Ihre Finger auf seiner Haut fühlten sich wie Schmetterlinge an. Er küsste sie lange und innig, bis seine Jeans vom Knien im nassen Gras durchgeweicht waren.
    »Nur mit Santino könnte es ein Problem geben«, sagte sie, als er sich von ihr löste.
    »Wieso?« Er lehnte sich zurück und stützte sich mit den Handflächen auf dem Boden ab. »Ich mache meinen Highschool-Abschluss und fange bei ihm als Lehrling an. Er hat gesagt, es ist kein Problem, noch ein paar Wochen zu warten. Und dann«, er zupfte ein Gänseblümchen ab, »komme ich nach Tír na Mórí und kann dir so oft den Hof machen, wie dein Vater es will. Ich flechte dir Blumen ins Haar –« Sie kicherte, als er ihr die kleine Blüte in die Locken zwirbelte. »Ich fege dein Schlafgemach aus. Ich laufe neben dir auf den Händen. Soll ich’s dir beweisen?« Er versuchte aufzustehen, doch sie zog ihn lachend wieder herunter.
    »Schon gut, ich glaube es dir.«
    »Also, was ist jetzt das Problem mit Santino?«
    »Mein Vater zwingt ihn, Níval zu verlassen.«
    »Du machst Witze.«
    »Nein, mache ich nicht. Es ist wegen der Kjer. Sie jagen ihn, und wenn er in Tír na Mórí bleibt, werden ihre Agenten ihn aufspüren und dann beginnt alles wieder von vorn.« Sie verdrehte die Augen. »Außerdem ist er sauer, dass Santino ihm nicht gleich gesagt hat, was es mit den Rissen auf sich hat.«
    In Kens Magen bildete sich ein Knoten. Was sollte das jetzt wieder heißen?
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