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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Durchlass zur Treppe, die zum See hinunterführte, wanderte Kimmel mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf und ab, was nicht eben den Eindruck von großer Gelassenheit vermittelte. Er war froh, als er Schielin um die Ecke biegen sah.
    »Wo hast du den Esel?«, war Kimmels erste und Schielin verblüffende Frage. Er selbst, seine Frau und Kinder schienen inzwischen kaum noch von Interesse zu sein.
    »Steht da hinten im Hänger«, antwortete er knapp und ging weiter zum Durchlass. Kimmel war zufrieden und folgte.
    Rechts, auf der Rasenfläche, stand bereits ein Wagen des Bestattungsinstitutes, und vor der aufstehenden Heckklappe glänzte ein Zinksarg. Die zwei Bestatter lehnten gelangweilt am Wagen und rauchten. Schielin drehte sich um und nahm einen Blick über die Südfront der ehemaligen Luitpold-Kaserne. Er war überrascht, denn er hatte mehr Zuschauer erwartet, die an den Fenstern stehend versuchten, Teil des Geschehens zu werden, ohne Anteil zu nehmen. Weiter hinten erkannte er Funk, der bei zwei Uniformierten stand und sich mit einem Mann unterhielt. Soweit Schielin erkennen konnte, handelte es sich dabei um einen Journalisten. Im näheren Bereich der Kaserne und ein Stück entfernt, entlang des Uferwegs, standen einige wenige Neugierige, die jedoch von den Absperrbändern und uniformierten Kollegen zurückgehalten wurden. Kimmel beauftragte Gommert, mit einem Fotoapparat alle Personen im weiteren Umfeld zu fotografieren und deren Personalien festzustellen. Damit war auch Gommert erstmal beschäftigt und nicht mehr im Weg.
    Schielin trat in den Durchgang und blickte nach unten. Drei Gestalten, jede in weißem Overall, sammelten verschiedene Utensilien ein und legten sie in einen großen Metallkoffer. Die Spurensicherung war also bereits beendet. Zusammen mit Lydia und Kimmel ging Schielin die Treppe hinunter, blieb auf dem Sockel stehen, sah sich um und ging dann weiter bis zur letzten Stufe. Die weißen Overalls räumten die Treppe und verschwanden mit kurzem Gruß. Jetzt war Schielin an der Reihe.

    Ein großer Steinbrocken lag links ein Stückweit vor der letzten Stufe. Daneben hingen zwei schwere Betonplatten zwischen mächtigen Kieseln und bildeten einen trockenen Pfad. Zwischen dem Stein, den Platten und der letzten Treppenstufe lag eingekeilt der verwundene Körper eines Mannes. Sanft umspülte das an dieser Stelle nur wenige Zentimeter hohe Bodenseewasser den Ufersaum. Die Kleidung des Toten hatte sich voll Wasser gesogen, was an den dunklen Rändern gut zu erkennen war. Schielin balancierte über einige der Steine, hielt sich an der Mauer des Pulverturms fest und betrachtete das zum See hin weisende Gesicht des Toten. Erschrocken sah er auf. Kimmel und Lydia standen ihm gegenüber auf der Treppe.
    »Mensch, den kenne ich doch, den kenne ich doch. Der wohnt doch draußen bei mir … ganz in der Nähe.«
    Lydia klappte ihren Notizblock auf und las vor. »Ottmar Kinker, fünfzig Jahre alt, ledig, wohnt in Reutin …«
    Schielin unterbrach sie: »Ja genau, irgendwo in der Nähe von der Coca Cola.«
    »Kennst du ihn näher?«, fragte Kimmel.
    Schielin schüttelte den Kopf. »Nein, näher nicht. Aber vom Sehen halt. Man weiß eben, wo jemand wohnt, kennt seine Gepflogenheiten, wo er wann einkauft, welches Auto jemand fährt, so eben … man kennt das Gesicht, die Gestalt und vieles andere, aber vom Menschen selbst, seinen Lebensumständen, weiß man gar nichts. Nichts. Du weißt was ich meine, oder?«
    Kimmel nickte. Schielin wandte sich wieder dem Toten zu, hob vorsichtig die obere Seiten der Jacke an und betrachtete den Oberkörper. »Wenig Blutverlust für einen Messerangriff, mhm? Und du hast mir doch was von Schlägen erzählt, Lydia. Da ist doch kaum was zu sehen. Hätte ich mir schlimmer vorgestellt. An den Händen sind keinerlei Abwehrspuren zu erkennen.«
    Lydia ging nicht darauf ein. »Wir haben einen Geldbeutel in der Innentasche seiner Jacke gefunden. Er hatte über zweihundert Euro dabei, dazu Führerschein, Personalausweis und eine EC-Karte von der Bodenseebank. In der Hosentasche befand sich der Autoschlüssel. Das Auto selbst haben wir noch nicht gefunden. Die Fahndung dazu ist bereits rausgegangen, wir haben aber Kennzeichen und Typ schon ermittelt. Was ich damit sagen will, ist, …«
    »… dass es sich schwerlich um ein Raubdelikt handelt«, ergänzte Schielin.
    »Eben. Das sieht ziemlich zielstrebig aus. Es fand kein Kampf statt. Jedenfalls gibt es davon keine Spuren, weder an ihm,
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