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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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noch hier auf der Treppe. Könnte sein, dass er hier abgepasst worden ist.«
    »Es war nur ein Stich?«, fragte Schielin ohne aufzusehen und betrachtete weiter skeptisch den Brustbereich. Es klang eher wie eine Feststellung, so als ob er sich selbst eine Frage stellen wollte.
    Lydia Naber nickte, obwohl er gar nicht zu ihr hinsah. »Nur ein Stich … und Spuren stumpfer Gewalteinwirkung am Kopf. An der rechten Schädelseite, zwischen Ohr und Schläfe. Schaut wie ein Schlag aus, jedenfalls nicht so, wie die anderen Schürfungen, die er sich geholt haben muss, als er die Treppe runtergestürzt ist. Genaueres bekommen wir, wenn das Ergebnis der Obduktion vorliegt. Sicher ist aber, dass er über Nacht hier gelegen haben muss. Körpertemperatur und so. Wir gehen derzeit davon aus, dass es gestern Abend so zwischen sechs und zehn Uhr passiert sein muss. Mehr können wir derzeit noch nicht sagen.«
    Schielin hob sich langsam aus der Hocke empor. »Wer hat ihn gefunden?«
    Kimmel hatte bisher wortlos dem Gespräch zugehört, jetzt deutete er schräg hinter sich. »Einer von den Doktoren aus der Klinik da oben. Er geht jeden Morgen hier spazieren, sagt er, und da hat er ihn heute gefunden. Funk war vorhin bei ihm. Ich habe gesagt, er soll noch warten, bis du da bist. Er sitzt sicher noch da oben auf der Bank. Kannst ihn gleich befragen, wenn du willst.«
    Schielin sah auf den Toten zu seinen Füßen. »Ich gehe gleich hoch. Ist immer gut, sich gleich mit den Leuten zu unterhalten. Die Fingerwuzler sind ja fertig … dann kann die Leiche abtransportiert werden. Gommi soll das alles filmen, ja. Ich würde vorschlagen, wir lassen bis zur Wurfweite das Ufer nach dem Messer absuchen. Vielleicht ist es ja noch irgendwo da draußen, im Wasser.«
    Kimmel stimmt wortlos zu, und Lydia meinte: »Am besten, wir fordern da Bereitschaftspolizei an. Ist ja ein ganz schönes Stück.«
    »Tu das.«
    Schielin ging nach oben. Die Bestatter machten sich gerade daran, den Zinksarg zum Torbogen zu bugsieren. Von Robert Funk, der bei ihnen stand und das umständliche Tun der beiden Originale skeptisch verfolgte, erfuhr er, wo der Arzt zu finden war. Der saß ein Stück entfernt, entspannt und mit geschlossenen Augen auf der von den Sonnenstrahlen angenehm erwärmten Steinplatte und hatte sein Gesicht zur Sonne hin ausgerichtet.
    Schielin stellte sich so vor ihn hin, dass der Schatten seines Körpers auf das Gesicht fiel. Erst jetzt öffnete der Mann die Augen und sah Schielin freundlich an. Er war Ende dreißig, hatte braun gebrannte Haut, dunkelblonde, lockige Haare, und eine perfekte Zahnreihe lächelte Schielin entgegen. Trotzdem hatte er es nicht mit einem Sonnyboy zu tun, denn über der schlanken Gestalt und dem wohlgeformten Gesicht lag eine unvermutete Ernsthaftigkeit.
    »Doktor Deeke?«, frage Schielin.
    Sein Gegenüber bejahte und richtete sich auf.
    »Sie haben den Toten gefunden.«
    »Ja. Heute morgen. Habe ich ihrem Kollegen schon erzählt.«
    »Ich weiß. Vielen Dank, dass Sie so lange hier gewartet haben. Ich führe die Ermittlungen in diesem Fall, und es ist schön, dass ich mich gleich selbst mit Ihnen unterhalten kann.«
    Deeke winkte ab. »Ich war zwischenzeitlich schon in der Klink und habe die Termine für heute abgesagt und einiges andere organisiert. Dann bin ich wieder hierhergekommen. Es war also kein großer Aufwand.«
    Schielin wies auf das moderne Gebäude, das direkt hinter ihnen lag. »Sie arbeiten in der Beauty-Klinik?«
    »Ja. Ich bin Chirurg«, lächelte Deeke.
    »Was machen Sie genau?«
    »Busen«, lautete die knappe Antwort.
    »Eine Wachstumsbranche, also«, entgegnete Schielin etwas hintergründig.
    Deeke grinste Schielin an. »Interessante Sichtweise und sicher nicht falsch … ihre Formulierung.«
    »Sind Sie öfter hier am Ufer unterwegs?«
    Deeke hob beide Arme empor, was fast wie eine entschuldigende Geste wirkte. »Nicht nur öfter, sondern an jedem Tag, an dem ich hier arbeite. Ich brauche das inzwischen. Bevor ich am Morgen mit meiner Arbeit beginne, gehe ich immer noch eine kleine Runde hier am See, nur das kurze Stück an der Mauer entlang bis zum Turm. Es ist ja sozusagen der Garten unserer Klinik hier.«
    Schielin sah sich um und fand die Beschreibung sehr treffend gewählt.
    »Heute Morgen waren Sie also auch unterwegs.«
    »Ja. Ich parke ja direkt vor dem Haus und bin den üblichen Weg gegangen, vor zur Ufermauer, habe da ein paar Minuten gestanden und den Blick über das Wasser hinüber zum Säntis
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