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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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ja doch noch rangegangen«, nölte es aufgedreht aus dem Hörer.
    »Seit wann bin ich dein Schatzi«, entgegnete Schielin und ahnte, dass seine Wanderung ein vorzeitiges Ende nehmen würde.
    »Wie geht es denn dem Esel … ich meine Ronsard?«, fragte sie scheinheilig und lachte boshaft.
    »Gut. Wieso fragst du nicht wie es mir geht – Schatzi!?«
    Sie zog laut Luft zwischen ihren Zähnen hindurch, und ihre Stimme bekam einen gehörigen Schlag Ernst. »Tjaaaa. Es ist mir sehr unangenehm, dich stören zu müssen, aber wir haben einen Toten.«
    Schielin hielt sich zurück. »Mhm.«
    »Du musst kommen!«, sagte sie ohne einen Zweifel darüber mitklingen zu lassen.
    »Wieso? Was ist es denn für ein Toter?«
    »Oh, ein ziemlich Toter. Es könnte ja vielleicht ein Selbstmord gewesen sein. Tatablauf dann in etwa so: Er hat sich mit der Faust ins Gesicht geschlagen, dann ein Messer ins Herz gerammt und schließlich die Treppe am Pulverturm hinuntergestürzt … muss sehr verzweifelt gewesen sein. Das suizidal in Anwendung gekommene Messer haben wir leider noch nicht finden können. Das hat wahrscheinlich die Flut geholt …«
    Schielin stöhnte. »Ist gut, ist gut Lydia … am Pulverturm also?«
    »Ja, mein Lieber. Hier ist ganz schön was los. Ich bin übrigens gerade vor Ort. Schaut schlimm aus. Wir brauchen dich.«
    »Ja, du bist gut. Ich stehe hier mit Ronsard auf der Landstraße vor Oberlangnau, Marja ist heute in München, und Lena und Laura sind in der Schule, hoffe ich wenigstens. Und du weißt, wie schnell Ronsard zu Fuße ist. Wie soll ich das jetzt machen? Soll ich vielleicht auf ihm reiten, oder was? Das dauert dann Jahre.«
    »Wir holen dich«, kam sofort ihre Antwort.
    »Und Ronsard?«
    »Wir haben doch noch den alten Dienst-Passat von der Wasserschutz, der mit der Anhängerkupplung für den Bootsanhänger. Wir fahren hoch zu dir, ich kontrolliere dabei mal, was deine zwei Gören so treiben, dann schnappe ich den Hänger, und wir holen dich ab.«
    Das war typisch Lydia. Sie hatte schon einen genauen Plan, wie die Dinge laufen sollten. Vorher hätte sie ihn auch nie angerufen. Schielin stöhnte innerlich und fragte dann, schon ohne jede Gegenwehr in der Stimme. »Wer ist eigentlich wir?«
    »Gommi kommt mit«, lautete die vorsichtige Antwort.
    »Ach du Scheiße. Ist der etwa auch vor Ort.«
    »Nein. Natürlich nicht. Der würde hier ja alle wahnsinnig machen«, sagte sie beschwichtigend.
    »Allerdings.« Schielin überlegte einen Augenblick, obgleich es nichts mehr zu überlegen gab. »Also gut. Ich warte hier an der Argenbrücke. Der Hänger steht hinten an der Weide bei den Friesen, und bitte! Du fährst, ja!«
    Lydia Naber klang erleichtert. »Geht klar … , Schatzi.«
    *
    Eine knappe Stunde später kam Lydia angerauscht. Schielin konnte das blecherne Scheppern des Pferdehängers schon von Weitem hören. Sie fuhr angstfrei. Erich Gommert musste dagegen Todesängste ausstehen. Allen Befürchtungen zum Trotz stieg Ronsard diesmal in den Hänger, ohne großen Zinnober zu machen. Gommert sprang aufgeregt herum, Lydia lehnte am Passat und wartete, bis Schielin mit dem Eseltreiben fertig war, dann fuhren sie los. Schielin bestand darauf, zu fahren, Lydias Ralleystil wollte er Ronsard nicht zumuten. Die saß auf dem Beifahrersitz und erzählte fragmentarisch, was sich seit dem Morgen ereignet hatte und wer verständigt worden war.
    Erich Gommert, dem Kimmel verboten hatte, mit zum Tatort zu gehen, hörte neugierig mit offenem Mund und aufgerissenen Augen zu. Ab und an schluckte er, so als müsse er das soeben Gehörte verdauen. Und was Lydia berichtete, war in der Tat schwer verdaulich. Erich Gommerts einzige Ablenkung bestand darin, in ungleichem Rhythmus schreckhaft nach hinten zu blicken, als würde Ronsard plötzlich durch die Heckscheibe heranstürzen. Schielin bekam das im Rückspiegel mit, und es machte ihn nervös. Überhaupt, so gerne er Gommert mochte, mit all seinen Eigentümlichkeiten – aber sein Gehabe machte ihn nervös, als strahle er elektrische Ladungen aus.
    Mitsamt dem Hänger und Ronsard fuhr Schielin über die Seebrücke, folgte der Zwanzigerstraße, überquerte die Bahnlinie und steuerte schließlich vorsichtig dem Ufer zu. Die überaus hässlichen Eisengestänge, die Parkplatzsuchende verwirren sollten, waren hier sehr eng gestellt.
    Der Uferweg war für den Durchgangsverkehr bereits gesperrt. Die Flatterleinen leuchteten rot und weiß, worin ja genau ihre Aufgabe bestand. Um die Ecke, am
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