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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath
Autoren: Keith Ablow
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darunter fixiert waren. Und er ahnte, dass noch grausamere Dinge vorgegangen waren – nach der Art zu schließen, wie Beckwith gesagt hatte, man habe sie einfach nicht in Ruhe gelassen. Das klang wie ein Kode für sexuellen Missbrauch. Er starrte sie an, hoffte, dass sie ihre Psyche entblößen und mit ihm in den warmen See ihres Leidens eintauchen würde. »Und außer den Hänseleien?«, hakte er nach.
    Beckwith starrte ihn an, und alle Farbe wich aus ihren Wangen.
    »Auf welche Weise waren Ihre Brüder noch gemein zu Ihnen, Anna?«
    Sie schüttelte ihren Kopf.
    »Haben sie versucht, Ihnen unter den Rock zu gucken?«
    »Ich muss jetzt wirklich weiter«, sagte sie.
    »Sie haben Sie angefasst«, sagte er.
    Plötzlich verschwand das kleine Mädchen Beckwith, und die fünfundvierzigjährige Beckwith saß stocksteif an ihrer Stelle. »Ganz ehrlich, das geht Sie wirklich nichts ...«
    Jonah wollte das kleine Mädchen. Er brauchte das kleineMädchen. »Sie können es mir erzählen«, versicherte er ihr. »Sie können mir alles erzählen.«
    »Nein«, sagte sie.
    Jonah konnte förmlich hören, wie der Riegel vorgeschoben wurde und ihn ausschloss.
    »Gehen Sie jetzt bitte«, sagte Beckwith.
    »Mir gegenüber muss Ihnen nichts peinlich sein«, sagte Jonah. Er rang nach Atem. »Ich habe schon alles gehört, was es zu hören gibt.« Er versuchte, sich ein Lächeln abzuringen, doch er wusste, dass sein Gesichtsausdruck eher wölfisch denn beruhigend wirkte.
    Beckwith starrte ihn an, dann schluckte sie schwer, als sie endlich die Gegenwart von Wahnsinn erkannte.
    Das Pochen in Jonahs Schädel hatte wieder angefangen. »Wo war Ihr Vater?«, fragte er und hörte, wie sich der verräterische Zorn in seine Stimme stahl. »Wo war Ihre Mutter?«
    »Bitte«, sagte Beckwith. »Lassen Sie mich gehen.« Doch sie versuchte nicht zu fliehen.
    »Warum haben sie Ihnen nicht geholfen?«, wollte Jonah wissen. Er spürte, wie Speichel aus seinem Mundwinkel tropfte, und sah an Beckwiths Gesichtsausdruck, dass sie es bemerkt hatte.
    »Wenn Sie mich gehen lassen, werde ich ...«, begann sie zu betteln.
    Die Schlagbohrer in Jonahs Schädel setzten sich wieder in Gang. »Was haben dir diese kleinen Dreckskerle angetan?«, brüllte Jonah.
    »Sie ...« Sie fing an zu weinen.
    Jonah beugte sich zu ihr, bis sein Mund ganz nah an ihrem Ohr war. »Was haben sie getan?«, donnerte er. »Du musst dich nicht schämen. Es war nicht deine Schuld.«
    Beckwiths Gesicht verzerrte sich zu dem gleichen panischen, verwirrten Ausdruck, der Scott Carmady ergriffenhatte – entsetzte Ungläubigkeit darüber, was ihm geschah. »Bitte«, hauchte sie. »Bitte, Gott ...«
    Ihr Betteln marterte und erregte Jonah, ein schreckliches und unwiderstehliches Fenster auf das Böse in ihm. Er schmiegte seine Wange an die ihre. »Erzähl’s mir«, flüsterte er ihr ins Ohr. Er fühlte ihre Tränen über sein Gesicht laufen. Und er begann ebenfalls zu weinen. Weil er erkannte, dass es nur einen Weg gab, Eintritt in ihre Seele zu finden.
    Er steckte seine Hand in seine Hosentasche und holte das Rasiermesser heraus. Er klappte es gnädig außerhalb ihres Blickfelds auf. Dann legte er seinen Daumen unter ihr Kinn und drückte sanft ihren Kopf in den Nacken. Sie leistete keinen Widerstand. Er zog die Klinge mit einer flinken Bewegung über ihre Halsschlagadern und durchtrennte sie mit einem sauberen Schnitt. Beckwith welkte vor seinen Augen wie eine drei Tage alte Blume.
    Blut lief über seine Wange, vermischte sich mit seinen Tränen. Er vermochte nicht mehr zu sagen, ob es sein Blut war oder das von Beckwith, seine Tränen oder ihre. In diesem reinen letzten Moment lösten sich alle Grenzen zwischen ihm und seinem Opfer auf. Er war von den Fesseln seiner eigenen Identität befreit.
    Er schlang seine Arme um Beckwith, drückte sie fest an sich und stöhnte auf, während sich sein Samen zwischen ihre Schenkel ergoss und so einen ewigen Bund zwischen ihnen schuf. Er hielt sie weiter in seinen Armen, während sich ihre Panik in Erschöpfung verlor, bis er spürte, wie sich seine Muskeln entspannten, sich sein Herzschlag gleichzeitig mit dem ihren verlangsamte, sich sein Verstand gleichzeitig mit dem ihren klärte – bis er vollkommenen Frieden empfand und eins war mit sich und dem Universum.
     
     

2
     
    Vormittag, 30. Januar 2004
    Canaan, Vermont
     
    Dr. Craig Ellison setzte sich in den Ledersessel hinter seinem Mahagonischreibtisch. Er sah freundlich aus, war knapp über sechzig,
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