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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath
Autoren: Keith Ablow
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Intuition auszutesten. »Die Eierstöcke«, sagte er.
    »Brustkrebs«, sagte Ellison über seinen eigenen Verlust.
    Nah genug dran, dachte Jonah bei sich. Eierstockkrebs. Brustkrebs. In beiden Fällen war das Ende weder kurz noch schmerzlos. Ellison hatte die Hölle durchlebt, und jetzt glaubte er, Jonah habe die gleiche Erfahrung gemacht. »Die Leute sagen einem, dass man schon darüber hinwegkommt«, sagte Jonah, »sobald genügend Zeit verstrichen ist, sobald man eine neue Beziehung findet, sobald man an genügend Sonntagvormittagen genügend Gebete gesprochen hat, aber ich glaube nicht, dass ich je darüber hinwegkommen werde.«
    Ellison musterte ihn wie einen Blutsbruder. »Ich auch nicht«, pflichtete er bei.
    Jonah schluckte schwer und sagte lange nichts, um dem emotionalen Kitt zwischen ihnen Zeit zu lassen, sich zu verfestigen. Als er schließlich sprach, tat er dies mit dem Tonfall eines Mannes, der bewusst die Erinnerung an eine große Tragödie verdrängt. »Nun, also ... okay«, sagte er. »Kommen wir zu angenehmeren Dingen ...«
    »Nur zu gern«, bestätigte Ellison.
    »Erzählen Sie mir mehr über die Abteilung«, sagte Jonah. »Wie kann ich helfen?«
    »Sie haben bereits geholfen.« Ellison lächelte Jonah an. »Danke.«
    Jonah nickte ernst.
    »Aber was die Abteilung angeht ...«, lenkte Ellison seine Gedanken zurück auf das ursprüngliche Gleis. »Wie Sie wissen, haben wir zwanzig Betten. Gemeinhin sind wir ausgelastet, und es gibt eine Warteliste. Wir sind die einzige geschlossene Psychiatrie im Umkreis von zweihundertfünfzig Meilen. Die Einwohnerschaft von Canaan und den umliegenden Städten ist strikt Arbeiterschicht, hauptsächlich Holzwirtschaft. Die Eltern haben gewöhnlich nur eine einfache Schulbildung, wenn überhaupt. Viel Alkoholismus, wie man in einer solchen Gegend erwarten kann. Dazu kommt ein nicht unbeachtlicher illegaler Drogenkonsum. Kokain. Heroin. Alles zusammen der ideale Nährboden für Misshandlung und Vernachlässigung. Und ich würde sagen, dass wir einen mehr als durchschnittlichen Anteil an Depressionen haben.«
    »Harte Winter«, bemerkte Jonah.
    »Vielleicht. Es könnte auch einfach nur eine Bevölkerung von unterdurchschnittlichem sozioökonomischem Status widerspiegeln.« Ellison machte eine kurze Pause. »Ich kann Ihnen sagen, dass die Kinder, die hierher kommen, wie wohl auch in den anderen psychiatrischen Abteilungen, in denen Sie gearbeitet haben, schwer geisteskrank sind. Endogene Depression, Schizophrenie, Drogenabhängigkeit. Die Krankenversicherungen würden sonst einer Einweisung überhaupt nicht zustimmen. Und in dieser Gegend gibt es nicht eine Familie, die die Rechnung für eine stationäre Behandlung aus eigener Tasche bezahlen könnte.«
    »Ich arbeite gern mit schwer kranken Patienten«, erklärte Jonah.»Dann werden Sie sich hier wohl fühlen«, sagte Ellison. »Jede dritte Nacht Bereitschaft?«
    »Stimmt. Sie arbeiten mit Michelle Jenkins und Paul Plotnik zusammen. Ich verspreche Ihnen, die sind sehr froh, Sie zu sehen. Sie teilen Dr. Murphys Patienten zwischen sich auf, und das sind nicht wenige. Er war sehr beliebt.«
    »Ich hoffe, ich werde seinem Vorbild gerecht.«
    »Da bin ich sicher«, sagte Ellison. Er schaute auf einen Terminkalender, der aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. »Sie fangen also am Dritten des Monats an, wie geplant?«
    »Ich kann heute anfangen«, erklärte Jonah eilig, begierig darauf, nicht nur für seine Zerstörungswut Buße zu tun, sondern sich an den verschlungenen Lebensgeschichten zu nähren, die er so dringend brauchte.
    »Wie wär’s mit gestern?«, feixte Ellison. Er stand auf. »Ich zeige Ihnen kurz, wo alles ist.« Er machte eine Pause. »Da fällt mir gerade ein, dass wir um zwölf eine Fallbesprechung haben. Gewöhnlich stellen Dr. Jenkins oder Dr. Plotnik mir einen Fall vor. Ich befrage den betreffenden Patienten in Anwesenheit unseres Pflegepersonals und sehe, ob ich ihm etwas entlocken kann, was sie noch nicht herausgefunden haben, zaubere gewissermaßen das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Hut.« Er zwinkerte. »Heute ist Plotnik dran. Warum übernehmen Sie nicht an meiner Stelle? Auf die Weise kann unser Stab gleich Ihren Arbeitsstil kennen lernen.«
    »Es wäre mir eine Ehre«, sagte Jonah. »Danke.«
    »Danken Sie mir, nachdem die Schwestern und Sozialarbeiter Sie mit Fragen durchlöchert haben«, erwiderte Ellison. »Sie lieben es, meine klinischen Beurteilungen zu zerpflücken. Ich bezweifle,
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