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Psychologische Homöopathie

Psychologische Homöopathie

Titel: Psychologische Homöopathie
Autoren: Philip M. Bailey
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von seiner Arbeit entweder intellektuelle Anregung oder Abenteuer erwartet.
    Unter Homöopathen heißt es oft, daß man nie glauben sollte, was der Patient einem sagt. Das ist zwar reichlich provokativ und zugespitzt, aber es steckt doch ein wahrer Kern darin. Nicht nur, daß viele Patienten versuchen, ihre Schwächen vor dem Homöopathen zu verbergen, eine noch größere Zahl verbirgt sie erfolgreich vor sich selbst. Deshalb sollte man nicht erwarten, daßder Patient sich selbst zutreffend beschreibt. Die Art, wie der Patient etwas sagt, ist manchmal wichtiger als das, was er sagt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem jungen Studentenpfarrer, der wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nach einer Virusinfektion gekommen war. Er wirkte offen und freundlich und beschrieb sich als relativ liberal und fortschrittlich. Es gab nur wenige hilfreiche Geistessymptome, und auch die körperlichen Beschwerden waren eher unspezifisch. Allmählich wurde klar, daß der bemerkenswerteste Aspekt seiner Persönlichkeit eine bestimmte Förmlichkeit war, eine Art von Höflichkeit, die in der Generation seiner Großeltern üblicher war als in seiner eigenen. Dazu kam seine Stellung als Pfarrer auf einem Universitätscampus, umgeben von überwiegend ausgelassenen, hedonistischen Studenten (die im selben Alter waren wie er oder nur unwesentlich jünger), was seine Förmlichkeit und Strenge noch stärker hervorhob. Es waren weniger die Worte, mit denen er sich selbst beschrieb, als vielmehr diese Steifheit des Charakters, die mich bewog, ihm Kalium carbonicum zu verordnen. Sehr oft ist der Eindruck, den der Patient uns vermittelt, nützlicher als das, was er uns sagt. So mag der sehr sachliche Patient, der ungeduldig reagiert, wenn er über seine Gefühle reden soll, obwohl er doch nichts weiter will als ein Mittel gegen seine Rückenschmerzen, durchaus Nux vomica sein. Ganz ähnlich der Patient, der abstreitet, besonders anspruchsvoll oder anfällig für Ängste zu sein, den Homöopathen aber während des Gesprächs mit einem Anflug von Mißtrauen oder Argwohn beobachtet und genau wissen will, mit welchen Nebenwirkungen er zu rechnen hat; er wird wahrscheinlich Arsenicum sein. Mit zunehmender Erfahrung lernt der Homöopath, den nichtverbalen Hinweisen genauso viel Bedeutung beizumessen wie dem gesprochenen Wort.
    Sex ist ein Thema, das viele Patienten und Homöopathen vermeiden, aber es kann eine Menge hilfreicher Informationen enthüllen, und es lohnt sich, genauer nachzufragen, wenn das Mittel nicht klar ist. Auch hier ist die Art und Weise, wie der Patient antwortet, ebenso Wichtig wie das, was er sagt, vielleicht sogar noch wichtiger. Eine deutliche Zurückhaltung beim Thema Sex ist typisch für Natrium muriaticum und Thuja, die beide zu Schuldgefühlen neigen. Andererseits haben Causticum, einige Ignatias, Lachesis, Medorrhinum, Mercurius, Phosphor, Sulfur und Argentum einen leichten Zugang zu dieser Thematik und lassen sich manchmal sogar begeistert darauf ein. Der Rest liegt irgendwo dazwischen.
    Lycopodium-Männer haben oft bestimmte Vorstellungen von Männlichkeit, die zu unterschiedlichen Reaktionen führen können, wenn man mit ihnenüber Sexualität spricht. Wenn ihnen bewußt ist, daß sie Zweifel an ihrer Männlichkeit haben, wehren sie das Thema manchmal ab, indem sie sagen: »Da gibt es keine Probleme.« Auf der anderen Seite können sie sich auch mit ihrer sexuellen Potenz brüsten, entweder direkt oder mit einer gewissen Betonung in der Stimme, wie es in den Umkleideräumen von Männern üblich ist: »Ha, in dieser Beziehung gibt es ganz sicher keine Probleme.« Eine ehrliche und direkte Antwort erhält man aber auch recht häufig.
    Einige Typen sind ziemlich schüchtern, aber immer noch relativ direkt, wenn über Sex gesprochen wird. Dazu gehören Alumina, Barium, Calcium, China, Kalium, Phosphor, Silicea und Staphisagria. Sie werden wahrscheinlich etwas peinlich berührt sein, wenn sie nach ihrem Sexualleben gefragt werden, aber das hindert sie gewöhnlich nicht, darüber zu sprechen.
    Ich habe gerne eine Vorstellung davon, wie stark die Libido eines Patienten ist. Eine Möglichkeit, das herauszufinden, ist die Frage: »Würden Sie Ihren Sexualtrieb als hoch, niedrig oder durchschnittlich bezeichnen?« Die meisten Leute antworten mit »durchschnittlich«, aber diejenigen mit einer besonders starken Libido sagen das gewöhnlich auch, besonders Argentum, Hyoscyamus, Lachesis, Lycopodium, Medorrhinum, Nux,
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