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Proust 1913

Proust 1913

Titel: Proust 1913
Autoren: Luzius Keller
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erlaubt, zu Hause über die Telefonleitung Aufführungen aus der Oper und aus verschiedenen Konzertsälen mitzuhören.
    Theatrophon
    Über Vincent d’Indys Oper
Fervaal,
die am 8 . Januar in der Opéra Premiere hatte, schreibt er am 31 . Januar an Reynaldo Hahn: »[…] ich habe am Telephon
Fervaal
gehört. Sehr gelangeweilig (›entvieyeux‹) […] von tödlicher Trockenheit. Über das köstliche Zwischenspiel (besonders wenn es wieder auftaucht mit Gesang im letzten Akt) bin ich Deiner Meinung. Man hört es schlecht am Telephon, doch ich finde es hinreißend. Weißt Du, es hat mehr von Mendelssohn als von Schumann, dabei aber auch eine gewisse musikalische Verwandtschaft mit der Phrase aus der
Sonate für Klavier und Geige
von Fauré. Es ist aber weniger unruhig, und es ist wollüstiger.« ( XII , 44 ) Nicht nur in musikalischen Fragen ist Reynaldo Hahn ( 1884 – 1947 ) Prousts wohl wichtigster Gesprächs- und Briefpartner. Die beiden jungen Männer haben sich im Frühjahr 1894 im Salon der Malerin Madeleine Lemaire kennen- und lieben gelernt. Danach blieben sie sich bis zu Prousts Tod freundschaftlich verbunden. In ihren Briefen verwenden sie oft eine Art von Geheimsprache.
    Reynaldo Hahn
    Wir bleiben am Apparat und blenden kurz voraus. Mitte März schreibt Proust an Madame Straus: »Haben Sie jetzt ein Abonnement auf das Theatrophon? Sie bringen jetzt auch die Concerts Touche, und so kann ich in meinem Bett von dem Fluss und den Vögeln der
Pastorale
besucht werden, an denen sich der bedauernswerte Beethoven ebenso wenig wie ich auf direktem Weg erfreuen konnte, da er ja völlig taub war. Er tröstete sich, indem er versuchte den Vogelsang, den er nicht mehr hörte, nachzubilden. Bei aller Distanz zu dem Genie und bei allem Fehlen von Talent schreibe auch ich auf meine Art meine Pastoralen, indem ich beschreibe, was ich nicht mehr sehen kann!« ( XII , 110 )
    Die Concerts Touche finden auch beiJacques Chailley Erwähnung, der ein Buch über 40 000  Jahre Musik geschrieben hat: »Der Autor dieses Buches hat die Concerts Rouge in der Rue de Tournon, wo man Liedern von Schumann bei einem Kleinen oder einer Cognac-Kirsche lauschte, nicht mehr erlebt, aber als Junge besuchte er regelmäßig die Concerts Touche, wo in entspannter und heiterer Atmosphäre ein Dutzend Ausführende ganz ordentlich Sinfonien von Beethoven bewältigten, während ein geschickter Pianist die fehlenden Instrumente zusammenfasste und der Hausherr die Zuspätgekommenen apostrophierte.«
     
    Institutionen wie die von dem Cellisten Francis Touche gegründeten und geleiteten Concerts Touche (Farbtafel  VI ) gehören zum Musikbetrieb im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert. Schallplatte und Radio haben sie zum Verschwinden gebracht. Schon das Theatrophon barg die Gefahr, das Publikum vom Konzertsaal fernzuhalten.

Februar
    Im Februar findet Proust einen Verleger. Doch bis es so weit ist, tut er sich schwer mit den abschlägigen Bescheiden der zuvor angefragten Verlage. In einer Reihe geschraubter und komplizierter Briefe an Jacques Copeau, einen der Redakteure der
Nouvelle Revue Française,
versucht er vergeblich, Auszüge aus seinem Roman in der Zeitschrift unterzubringen. Wie andere Briefe aus dieser Zeit sind es Schreiben voller Misstrauen und Missverständnisse, oft begleitet von der Bitte, den Brief zu verbrennen und den Antwortbrief zu versiegeln. Auf die Ablehnung durch Ollendorff reagiert er am 21 . Februar in einer Mitteilung an Louis de Robert, der den Kontakt mit Ollendorff hergestellt hat, zwar mit Verständnis für den Verleger, fügt aber hinzu, dieser würde wohl auch Werke von Barrès oder Maeterlinck ablehnen, würden sie ihm anonym eingereicht: »Würde man den Namen des Autors verheimlichen und Humblot
La Colline inspirée
oder
La Mort
vorlegen, so würde er, glaube ich, den Text ›zusammenstreichen‹ bis nicht mehr viel übrig bliebe und er könnte sich noch so sehr ›an den Kopf greifen‹ …« ( XII , 85 ) Die zitierten Stellen stammen aus einem Brief Humblots an Louis de Robert, den dieser Proust gezeigt hat. Nach drei Absagen will nun aber Proust sein Werk unbedingt veröffentlichen. Am 20 . Februar schreibt er an René Blum, der sich mit Grasset in Verbindung setzen soll: »[…] ich arbeite seit langem an diesem Werk; ich habe das Beste meines Denkens hineingelegt; es verlangt jetzt nach einem Grab, das bereit ist, bevor meines sich über mir schließt, und indem Sie mir helfen, seinen Wunsch zu
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