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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Autoren: Deana Zinßmeister
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• Prolog •
    1628, während des Dreißigjährigen Kriegs im Reich
    Die Gestalt lief zu dem Baum, der am Ortsrand stand, und presste sich dicht gegen den Stamm. Sie trug einen schwarzen Umhang, der ihre Konturen vor der dunklen Farbe der Baumrinde verwischte, sodass sie unsichtbar wurden. Mit wachem Blick schaute die Frau zum Dorf hinüber und zählte die Katen, deren Umrisse sich schwach im Licht des Mondes zeigten. »Rechts, links, rechts, rechts, links …«, flüsterte sie mehrmals, da die Hütten nicht in einer Reihe standen. Sie schloss die Augen, um die Worte in Gedanken zu wiederholen. Als ihr die Aufzählung fehlerfrei gelang, blickte sie zum Himmel empor. Sie sah, dass eine Wolke den Halbmond bald ganz verdecken und dass dann vollkommene Dunkelheit herrschen würde. Zufrieden stülpte die Frau sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf und holte tief Luft. Mit jedem Atemzug schien ihr Herz heftiger zu schlagen. Soll ich es wirklich wagen?, befragte sie sich leise, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. Was ist, wenn auch sie versagt?
    »Unfug«, schimpfte die Frau leise mit sich selbst und rief sich in Erinnerung, dass die Alte dafür bekannt war, Unmögliches möglich zu machen. Sofort regten sich weitere Zweifel: Nicht jeder wusste Gutes über sie zu berichten. Aber es gab kein Zurück, entschied die Frau und straffte die Schultern. Als sich die Finsternis vollends ausgebreitet hatte, stieß sie sich entschlossen von der Baumrinde ab und schlich in gebückter Haltung über den Weg zur ersten Kate, die rechts des Weges stand. Danach zur linken, rechten, rechten, linken. Sie war in Gedanken bemüht, sich an die Richtung zu erinnern, sodass sie den Hofhund erst bemerkte, als er sie anknurrte. Erschrocken sprang sie zur Seite, wobei ihre Hand zum Messer griff, das in ihrem Gürtel steckte. Als sie erkannte, dass der Hund an einer Kette lag, atmete sie erleichtert aus. Vorsichtig blickte sie sich um, um festzustellen, ob das Knurren des Hundes jemanden geweckt hatte. Alles blieb ruhig, und so rannte die Frau beherzt zur nächsten Hauswand. Nun trennten sie nur noch wenige Schritte von ihrem Ziel. Ein letztes Mal beugte sie sich nach vorn, um klein und unscheinbar zu wirken und nicht erkannt zu werden. Dann lief sie los.
    Vor Angst und Anstrengung keuchend blieb sie vor der Bretterwand der Hütte stehen. Als die Wolke weiterwanderte und das Mondlicht das Dorf wieder beschien, lehnte sie sich gegen die Kate, sodass ihre Gestalt vom Schatten verschluckt wurde. Bebend drehte sie sich zur Tür und klopfte dagegen. Gleichzeitig presste sie ihr Ohr an das Holz. In der Hütte blieb alles ruhig, ebenso im Dorf, das in tiefer Stille lag. Wieder schlug die Frau gegen die Brettertür. Nichts! Sie wollte bereits aufgeben, als der Riegel von innen zur Seite geschoben und die Tür geöffnet wurde. Ein grauer Schopf erschien im Rahmen, und aus einem von Falten zerfurchten Gesicht blinzelten verschlafene Augen.
    »Was willst du mitten in der Nacht?«, krächzte die Alte und stützte sich am Holz ab.
    »Deine Hilfe!«, flüsterte die Frau und zog die Kapuze vom Kopf, sodass ihr langes Haar ihr über die Schultern fiel.
    »Ich kenne dich«, sagte die Alte und kniff leicht die Augen zusammen. »Du bist von dem Hof in …«
    »Schweig!«, raunte die Frau und blickte sich beunruhigt nach allen Seiten um. »Lass mich herein, bevor mich jemand sieht.«
    Der Blick der Alten wanderte über den Umhang der Frau. »Ich ahne, warum du hierherkommst. Das hat Zeit bis morgen. Ich brauche meinen Schlaf. Komm wieder, wenn es hell wird«, forderte sie ungehalten und wollte die Tür schließen.
    Die Frau schob rasch den Fuß in den Türrahmen.
    »Verschwinde, oder ich schreie«, fauchte die Alte.
    »Wenn ich wollte, dass man mich bei dir sieht, dann wäre ich nicht zu dieser Unzeit erschienen«, schimpfte die unwillkommene Besucherin leise und griff in ihre Rockschürze. Langsam zog sie ein kleines Säckchen hervor, in dem Münzen klimperten. »Das ist für dein Schweigen, für deine Hilfe und für die entgangene Nachtruhe«, sagte sie und ließ das Beutelchen in die ausgestreckte Hand der Alten fallen.
    Die wog den Geldbeutel in der Hand und nickte. Daraufhin drängte die Frau die Grauhaarige mit einem leisen Lachen zur Seite und betrat die Hütte.

Zwei Jahre später
    Ein Raunen ging durch die Menge, als die Glocke ertönte. Geschwind bildeten die Menschen eine Gasse, durch die der Henker schritt. An einem Strick, der der
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