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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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ihr Kopfputz anders war als der aller übrigen: sie ha noch nicht das Frauenhäubchen auf, hatte aber auch nicht mehr den gewöhnlichen verschlungenen Kopfputz der Mädchen, sondern auf dem Scheitel war ein sehr kleines Barett, von dem nach hinten ein Schleier hinabging. - Gleich an ihr saß ihre Mutter, fast noch selber eine junge schöne Frau, das gealterte, gemilderte Ebenbild der Tochter. Dann war der alte Bernhard von Kluen, der Schwager Rudolph und Verwandte und Freunde und Genossen des Jünglings. Zwischen jeden zwei Männern saß eine Frau, entweder solche, die wegen Blutsfreundschaft hieher gehörten, oder Gespielinnen oder selbst höhere Dienerinnen der jungen Gattin. Die andern Diener und Knechte mochten im Haus oder hinter demselben irgendwo ihr Frühmahl halten.
    Die ganze Zeit her war auf einem freien Platze nich weit von der gedeckten Tafel ein seltsamer Mann gestanden. Er hatte sehr viele schneeweiße Haare, blitzende Augen und ein freundliches Angesicht. Auf dem Leibe trug er ein lodenes Wams, dann Pumphosen bis in die Knie, graue Strümpfe und große Schnallenschuhe. Es war der Wirt der grünen Fichtau. Da sich alle an dem Tische zurechtgesetzt hatten, nahm er das Barett, das er bisher in beiden Händen gehalten hatte, in die rechte Hand, näherte sich dem Tische, tat mit dieser rechten Hand eine leise, kleine Schwenkung seitwärts und sagte: »Lange lebe unser Herr und Graf, der junge Prokopus von Scharnast! Lange lebe seine neue Braut und Gemahlin, die Gräfin Gertraud von der Staue, welche jetzt die Gräfin Gertraud von Scharnast ist! Lange leben unsre hochgebornen Herren und Gäste und alle, welche mit ihnen in Verbindung und Verwandtschaft stehen!«
    Als er diese Worte gesagt hatte, ging er, sein Barett gleichsam wie ein Brieftäschlein in das Wams steckend, zu dem Tische und nahm die Deckel von den Schüsseln, in denen kalte Speisen waren, und legte sie auf die geeigneten Plätze des Tisches umgekehrt nieder. Zu gleicher Zeit, da er mit einem Winke umsah, näherte sich seine Frau und seine Tochter an der Spitze von mehreren Leuten, welche die warmen Speisen trugen. Die Frau war ein schönes, in die ersten Greisenstufen tretendes Weib und die Tochter ein junges, schlankes, herrlich blühendes Mädchen. Sie teilten sich beide in die Arbeit so, daß die Mutter an der einen Seite des Tisches hinaufging und die Aufstellung und Ordnung der Schüsseln besorgte; die Tochter aber an der andern hinab, das nämliche besorgend. Dann gingen sie jedoch wieder beide in das Haus hinein.
    Der junge Graf war auf die Anrede des Wirtes ein wenig aufgestanden, hatte mit der Hand gegrüßt und gesprochen: »Wir danken dir, Romanus, für deinen Wunsch, wir hoffen, daß der Rothenstein und die grüne
    Fichtau die gute Nachbarschaft bewahren werden, in der sie bisher gestanden sind, kommt manchmal hinauf zu uns, so wie wir hier einsprechen, wenn uns der Weg durch das Tal führt, und lebe gleichfalls noch recht lange, und freue dich deines rechtschaffenen Weibes und deiner schönen Tochter.«
    »Meine Frau und meine Tochter sind unbedeutende Wesen und sind auch schon fortgegangen., antwortete Romanus, der Wirt; »für den Gegenwunsch gebe ich den Gegendank, erlauchter Herr, und ich meine, ich werde schon noch eine Weile die grüne Fichtau aufrecht erhalten und sie dann aufrecht vererben. In Hinsicht des armen Mahles, das ich aufstellte, habe ich getan, was ich vermochte. Ich habe meine Leute, die sonst auf der Wiese oder draußen gegen Prigliz auf dem Felde sind, zu Hause behalten, damit sie die Dienste leisten. Dort stehen sogar an dem Rande des Holzes manche, die aus der Fichtau zusammen gekommen sind, um das Mahl der hochgebornen Herren zu sehen.«
    »Wir danken«, sagte der Graf, sich noch einmal leicht erhebend, »und laden alle und jede auf den Rothenstein ein, die innerhalb der nächsten vierzehn Tage unsere Gastfreundschaft zu teilen gesonnen sind.«
    Nach diesen Worten setzte er sich wieder nieder und sprach leiser zu seinen Umgebungen fort. Der Wirt trat auf seinen früheren Platz zurück, nahm das Barett aus der Brustspalte des Wamses und hielt es wieder in den beiden Händen.
    Das Mahl war nun an dem Tische angegangen.
    Ein Diener hatte des Grafen goldenen Becher hingestellt, den er aus einem Fache genommen und mit Wein aus einer eigenen Flasche gefüllt hatte. Ein anderer stellte einen kleineren, zierlicheren, aus edlem Glas geschliffenen vor die Gräfin und tat etwas Weniges von feurigem, blinkendem Weine
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