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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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Schönheit besaß, die fast zur Bewunderung hinriß. Es war um die Lippen und das Kinn der Anfang eines dunklen Bartes, von dem Haupte fielen schwarze Locken, und die Augen unter der klaren Sinne waren von einer Größe, wie man sie selten bei Männern findet, und sie ware ebenfalls ganz dunkel wie die Haare.
    Er hatte an seiner Hand ein Mädchen gegen den Tisch geführt, welches ebensoschön gekleidet war wie er und mit blauen Augen aus einem schönen, sanken Angesichte sah.
    »Siehst du, Gertraud«, sprach er zu ihr, »das ist die grüne Fichtau, wie ich dir gesagt habe, das älteste Haus in den ganzen Bergen, weit älter als der Rothenstein. Lege den Mantel ab, liebe Gertraud. So. - Ich sage dir, da mögen sogar die Avaren und Bojer schon einen Lagerplatz für ihre Saumtiere gehabt haben. Dann hat ein Waffenknecht oder ein anderer eine Hütte gebaut, um die Zugzubehöre unter Dach und Fach zu bringen. Wie oft mußte das Haus erneuert worden sein, da es nur von Holz ist, siehst du, und das Holz keinen so festen Bestandteil abgibt. Als die Männer in das Heilige Land zogen und manchmal ein Zug an der Perniz ging, da lesen wir, wie sie in der grünen Fichtau sich sammelten und ihr Rüstzeug und Eisengeschirr auf die Bänke umher legten. Aus dem Lebensbuche des Ritters Quirinus geht hervor, daß vor zweihundert Jahren das Haus schon die doppelte Fensterreihe gehabt habe, wie jetzt. Es erscheint überhaupt das Haus öfter in de Schriften und Pergamenten des roten Saales. Die Bewohner kamen manchmal zu uns hinauf. und einmal war eine gar Amme auf dem Schlosse, bei dem Sohn des Ritters Ubaldus. Setze dich auf diesen Stuhl, Gertraud, er ist für dich bereitet.«
    Das anmutige Wesen ließ sich in dem Stuhle nieder, der ihm angedeutet wurde, und sagte: »Ihr seid sehr gelehrt, mein verehrter Gemahl, und wißt von viele Dingen dieser Erde zu erzählen.«
    »O nein, Gertraud. ich bin nicht gelehrt«, antwortete der Jüngling, »und weiß auch nicht viel. Wenn ich aber auch nur etwas Weniges weiß, so ist mein Bernhard schuld, der mir von den Dingen auf der Erde und an dem Himmel erzählte.«
    »So wisset Ihr von den Dingen, die in dem Himmel sind, zu erzählen, verehrter Vater?« sagte die junge Frau, indem sie sich auf dem Stuhle umwendete und zu einem Manne aufsah, der eben herzutrat.
    Dieser war ein Greis und hatte, ungleich den andern, die meistens in Leder gekleidet waren, einen schwarzsamtnen Oberwurf an, auf den der weiße Bart niederging und über dem der weiße, gegen die Mitte zu kahle Scheitel glänzte.
    »Nein, erlauchte Frau«, antwortete er, »von den Dingen, die in dem Himmel sind, weiß ich nichts zu erzählen, sondern nur von den Sternen, die sich außerhalb an demselben befinden und sich bewegen.«
    »Nur von den Sternen«, sagte die Frau, »das ist nicht bedeutend.«
    »Da wir von dem Innern des Himmels nichts wissen, so ist das von den Sternen doch bedeutend«, antwortete der Greis.
    Die übrigen waren indessen auch mit ihren Anordnungen fertig geworden und schickten sich an, zu dem Tische zu kommen. Der Jüngling rief soeben zu der Gesellschaft: »Tretet hieher, Schwiegervater Werner, kommt, verehrte Schwiegermutter, Schwager Rudolph. Freunde, Gäste und Genossen - nehmet das Frühmahl ein, das hier bereitet ist. Mein geehrter Lehrer, Bernhard von Kluen, wird, wie bisher, die Stelle meines Vaters vertreten. Die grüne Fichtau sorgt für alles, was wir und unsere Angehörigen bedürfen.«
    Die Männer nahmen die Frauen zierlich bei der Hand und führten sie gegen den Tisch hinvor, wie der Jüngling wenige Augenblicke früher seine junge Gattin hinvor geführt hatte. Die Frauen setzten die Füße leicht
    und nur mit den Spitzen der Zehen auf den Boden und machten im Gehen sehr kurze Schritte.
    Der Jüngling nahm nun den Hut von dem Stuhle, setzte ihn aber nicht auf, sondern behielt ihn in der Hand und blieb stehen, bis alle Paare an den Tisch gekommen waren und die Frauen sich niedergesetzt hatten Dann tat er den Hut auf das Haupt und setzte sich neben seine Gattin. Desgleichen taten auch alle andern Sie warteten, bis die Frauen saßen, dann rückten sie die Stühle und ließen sich neben ihnen nieder.
    Da saß nun links von dem Jünglinge sein Schwiegervater, Graf Werner von der Staue, ein Mann mit bereits beginnendem Grau der Haare und mit gebräuntem Angesichte - rechts saß die junge Gemahlin; wir haben schon gesagt, daß sie so feine Wangen und blaue Augen hatte; man bemerkte jetzt, da sie so saß, da
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