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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara
Autoren: Andreas Wilhelm
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Augenblick trat eine große Gestalt durch den halbtransparenten Vorhang. Es war ein hünenhafter Mann, mit einem weißen Vollbart, elegant gekleidet und von unbestimmbarem, reifem Alter. In der atemlosen Stille aller Umstehenden kam er gemessenen Schrittes hervor, stellte sich neben Guardner und legte eine Hand auf dessen Schulter.
    »Gut gemacht, alter Freund«, sagte der Mann mit einer sonoren Stimme, deren Wärme die Kaverne zu erfüllen schien. Dann sah er die Thot-Anhänger an.
    »Ihr wisst, wer ich bin.«
    Dem Anführer der Männer war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Er sackte auf die Knie und berührte mit seiner Stirn den Boden. Seine Männer ließen ihre Waffen fallen und sanken ebenfalls nieder.
    »Das ist er. Al Haris, der Hüter!«, betonte Guardner, an die Männer gewandt. »In seinem Auftrag habe ich diese Höhle fünfundsechzig Jahre lang behütet. Hier bin ich sein alleiniger Vertreter. Ich habe diese Aufgabe vor fünfundsechzig Jahren übernommen, und nun, am Ende meines Lebens, werde ich sie weitergeben.«
    »Steht auf«, sagte Al Haris.
    Die Männer gehorchten mit steifen Bewegungen und wagten kaum, dem Mann in die Augen zu sehen.
    »Ihr und eure Gemeinschaft habt stets gute Dienste geleistet«, fuhr der Weißbärtige fort. »Aber bedenkt immer, dass auch der ehrenhafte Eifer niemals den Vortritt vor der Wahrheit und der Gerechtigkeit haben darf. Noch mehr als diese Höhle und ihre Zugänge muss das Leben geschützt werden. Ich weiß, dass es nicht immer leichtfällt. Schon viele Male sind Menschen auf Archive des Wissens und der Macht gestoßen, und wann immer die Menschen ihnen nicht gewachsen waren, mussten die Archive wieder in Vergessenheit geraten. Leben wurden ausgelöscht, und viele Archive sind für immer verloren gegangen. Aber bedenkt, dass dies eine immerwährende Prüfung ist, und vielleicht wird sie niemals ihre Bestimmung erfüllen.«
    Die Angesprochenen hatten im Laufe der Rede ihre Köpfe in Demut gesenkt. Wie ihre Väter und Großväter hatten sie ihre Leben ganz dem Schutz eines Wissens gewidmet, sich als Arm des legendären und allmächtigen Hüters gewähnt. Und nun wurde ihnen offenbar, dass sie nur eine geringe Rolle in einem Spiel gespielt hatten, das größer war, als sie geahnt hatten. Auch diejenigen, die den Legenden um den obersten Meister, der unsterblichen Inkarnation von Thot, nicht geglaubt, sondern nur einen Feldzug der Wahrung alter Traditionen und des Schutzes eines mystischen Schatzes geführt hatten, erkannten, welches große Geheimnis sich ihnen in diesem Augenblick eröffnete. Sie hatten nur die Peripherie gehütet, während der tatsächliche Vertreter des Hüters der Halle immer unter ihnen gewesen war, unerkannt und zurückgezogen in der Gestalt eines alten Mannes. Wie töricht es gewesen war anzunehmen, dass sie zu Höherem berufen wären, zeigte sich an ihrem Unverständnis, ihrem Mangel an Wissen und ihren fehlgeleiteten Aktivitäten, wie sie keines weisen Hüters würdig gewesen wären. Dies war die Stunde der Wahrheit, und dies war die Stunde, in der Thot Wehem Ankh Neb Seshtau aufhören würde zu existieren.
    »Ihr sollt auch in Zukunft eure Aufgaben erfüllen«, fuhr Al Haris stattdessen fort. »Ihr habt ein politisches Anliegen, das gerecht scheint, das zu vertreten jedoch der wahre Hüter dieser Höhle in seiner absoluten Neutralität nur schwerlich Gelegenheit hätte. Daher sollen die Aufgaben auch in Zukunft getrennt bleiben. Wenngleich etwas mehr Austausch und etwas weniger Misstrauen wohl angebracht wären.«
    Die drei Männer verneigten sich.
    »Und nun zu Ihnen«, sagte Al Haris und wandte sich Peter, Patrick und Melissa zu.
    »Wir kennen uns«, sagte Peter.
    »Das möchte ich verneinen, Professor Lavell«, entgegnete der Weißbärtige schmunzelnd, »aber wir haben uns sehr wohl schon einmal getroffen.«
    »Dann lassen Sie es mich so formulieren«, sagte Peter, »Sie kennen uns jedenfalls deutlich besser als wir Sie.«
    »So betrachtet gebe ich Ihnen recht. Wir trafen uns in Morges, am Genfer See, und Sie haben mir von Ihrem Fund der Höhle in Südfrankreich erzählt.«
    »Die Sie allerdings bereits kannten«, mischte sich nun Patrick ein. »Wie Sie uns auch damals laufend beobachteten!«
    »Es ist gewiss mehr als ungewöhnlich, dass wir uns nun schon wieder begegnen. Und ich wage zu prophezeien, dass es nicht das letzte Mal sein wird.«
    »Und unter welchem Namen treffen wir Sie dann?«, fragte Patrick. »Damals hießen Sie noch Steffen
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