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Prinz für die Köchin

Titel: Prinz für die Köchin
Autoren: M Zagha
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Erst denken, dann handeln, befahl sie sich im Stillen energisch. Mach den zweiten Schritt nicht vor dem ersten.
    »Sind wir bald da?«, fragte er und schaute lächelnd weg.
    »Ich glaube schon«, erwiderte sie schroff. In wenigen Augenblicken würde sie ihn absetzen, und das wär’s dann, Gott sei Dank.
    »Vielleicht«, meinte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen, »können wir uns ja mal treffen und in Saint-Jean was trinken gehen. Geben Sie mir Ihre Handynummer?«
    »Nein, danke. Leuten, die ich nicht kenne, gebe ich meine Nummer nicht«, wehrte Imogen steif ab. So was Arrogantes! Es stimmte, was man über Franzosen sagte. Denen musste man wirklich klarmachen, wo es langging.
    »Ach? Wie finden Sie dann Freunde?«
    »Ich habe reichlich Freunde, vielen Dank auch«, gab Imogen zurück. Das stimmte eigentlich nicht, denn sie kannte in Frankreich noch niemanden, doch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden. Erleichtert erblickte sie das Schild, das Saint-Jean-les-Cassis ankündigte, und blinkte rechts. Nachdem sie an ein paar bescheidenen Strandcafés vorbeigefahren waren, kamen sie auf einer Straße heraus, die anscheinend die Hauptstraße war, eine Vision in Rosa und Weiß, abwechselnd von Modeboutiquen und Eisdielen gesäumt. An ihrem Ende war ein von Pinien überschatteter Platz, auf dem eine Gruppe Männer mit einem Boule-Spiel beschäftigt war (wenn »beschäftigt« denn das richtige Wort war). Imogen parkte unter einem Baum und wartete schweigend darauf, dass Dimitri seiner Wege ging.
    »Danke fürs Mitnehmen. Es war sehr interessant«, meinte er, die Hand am Türgriff.
    Imogen nickte, ohne ihn anzusehen.
    »Salut« , sagte er und stieg aus. »Et … bonne Année!«
    »Ja, Wiedersehen – und gleichfalls frohes neues Jahr«, murmelte Imogen. Sie sah, wie er über den Platz ging, die Tasche abermals über der Schulter. Sogar sein Gang hatte etwas Arrogantes an sich, als wüsste er, dass sie ihm nachsah. Er bog in eine Seitenstraße ein und verschwand. Gut. Über den brauchte sie sich keine Gedanken mehr zu machen.
    Sie drehte sich zu Monty um, der auf dem Rücksitz schlief, und stieg aus dem Wagen, um sich umzusehen. Es war früher Abend.
    Auf dem Platz gab es ein Café, wo ein paar Leute saßen, an Aperitifs nippten und sich unterhielten. Dahinter konnte sie die glitzernde Weite des Mittelmeers sehen, das sich unter einem mittlerweile opal- und fliederfarbenen Himmel erstreckte. Ein Mädchen knatterte ohne Helm auf einem roten Motorroller vorüber, dann stieg abermals das Geräusch zirpender Grillen in die Luft empor, die nach Piniennadeln und Salz roch.
    Imogen fühlte, wie eine Woge freudiger Erregung über sie hinwegflutete, und hätte sich beinahe gekniffen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte, sondern wirklich und wahrhaftig hier war. Im Auto erwachte Monty plötzlich und kläffte verdrießlich. Sie ließ ihn aus dem Wagen und goss ihm aus einer Plastikflasche Wasser in seine Schüssel.
    Jetzt galt es, das bescheidene Hotel zu finden, in dem sie für heute Nacht ein Zimmer gebucht hatte. Morgen würde sie ihre Stelle antreten, und ihr neues Leben würde beginnen. Imogen lächelte. Sie war in Südfrankreich! Das Grau Londons, ihr Job im Kindergarten, ihre nervige Familie, die lästigen täglichen Pflichten – all das war in weiter Ferne verschwunden.

2
Im Sommer davor
    Vor sechs Monaten hatte ein entrüsteter Aufschrei Imogen aus ihren Tagträumen auffahren lassen, als sie eines Samstagmorgens in der Badewanne lag.
    »Imo! Kommst du jetzt da raus, oder was?«
    Es war Hildegards Stimme, die gekonnt modulierte, selbstbewusste Stimme einer Schauspielerin, die da aus dem »Schlafsaal« auf der anderen Seite des Flurs ertönte. Zwei Räume, die einst (zu König Edwards Zeiten) als Kinderzimmer geplant gewesen waren, beherbergten jetzt alle fünf Sprösslinge der Familie Peach. Die Jungen wohnten in einem Zimmer und die Mädchen in dem anderen; ungünstigerweise mussten die Mädchen jedes Mal durchs Jungenzimmer, wenn sie hinauswollten. Schuldbewusst setzte Imogen sich auf. Ohne auf einen erneuten Ruf ihrer Schwester zu warten, sprang sie aus der Wanne, trocknete sich notdürftig ab, warf ihren Bademantel über und eilte über den Flur.
    Beim Eintreten wäre sie fast gegen eine offene Schranktür gelaufen. Dahinter stand ihr sechzehnjähriger Bruder George, starrte in den Spiegel und rasierte sorgsam einen fast unsichtbaren Schnurrbart. Die vierzehn Jahre alte Thea stand hinter ihm, das
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