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Prinz für die Köchin

Titel: Prinz für die Köchin
Autoren: M Zagha
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Zimmer, nur um gleich darauf zurückzukehren, den zarten Kiefer nunmehr angespannt und die Zähne entblößt. Ob man sich irgendetwas Vulgäreres vorstellen könne als diese grotesken Werbespots, bei denen eine widerlich heiser-rauchige Stimme lustvoll von Gerichten schwärmt, fragte sie, an niemand Bestimmten gewandt. Das Fernsehen war natürlich ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu Schönheit, Kreativität und Wahrheit, und obwohl es im Hause einen Fernseher gab, wurden die Peach-Kinder nachdrücklich angehalten, ihn nicht einzuschalten. Dann folgte fast unvermeidlich das Finale des Monologs, in dem Elsa sich über die Person ereiferte, die ihr absolut verhasst war – und die sie nur als »diese grauenvolle Fingerleckerin« bezeichnete.
    Wie niederschmetternd diese (gut eingeübte) Vorstellung auch für denjenigen sein mochte, der die Frage gestellt hatte, sie erheiterte die Peach-Sprösslinge doch immer wieder, die stolz auf die exzentrische Art ihrer Mutter waren. George hatte sogar ein Konterfei der unglücklichen Fernsehköchin Nigella Lawson (denn sie war die grauenvolle Fingerleckerin) im Atelier seiner Mutter aufgehängt, wo es während der Malpausen als Dartboard diente.
    Aber es gab noch einen anderen Grund. Kurz bevor ihre Mutter die Küche endgültig geschlossen hatte, erinnerte sich Imogen, hatte sie sie einmal dort im Halbdunkel vorgefunden. Gedankenverloren saß Elsa auf dem Boden und stillte den kleinen Gus. Mit geröteten Augen hatte sie zu ihrer zwölfjährigen Tochter aufgeblickt und gesagt: »Merk dir eins, Liebling. Lieber spitze im Bett als eine gute Köchin.«
    Damals hatte Imogen nichts damit anfangen können, doch im Laufe der Jahre hatte sie besser verstanden, was ihre Mutter damit gemeint hatte. Kurz nach Gus’ Geburt hatte sich nämlich Elsas Ehemann mit einer anderen, viel jüngeren Frau abgesetzt, die, wie sich herausstellte, wenig vom Kochen hielt. Und so blieb auch bei Elsa, die eine ganz passable Köchin war, fortan die Küche kalt. Es gab zu viele Erinnerungen an sorgsam zubereitete Mahlzeiten, die nie verzehrt wurden, wenn ihr Mann anderweitig beschäftigt gewesen und nicht nach Hause gekommen war. Kochen war für Elsa zum Emblem ihres Verlassenseins geworden. Und Nigella Lawson – nun, die verkörperte für Elsa schlicht jene verhasste Mischung aus erdverbundener Erotik und unwiderstehlichem Essen, von der sie glaubte, dass sie sie nicht hatte bieten können.
    Die Peach-Kinder trafen sich hin und wieder mit ihrem Vater, doch ihre Mutter wollte niemals auch nur ein einziges Wort über ihre Unternehmungen mit ihm hören. Elsa hatte ihren Mann aus ihrem Leben gestrichen und dieses Leben so arrangiert, dass es sich ausschließlich um sie drehte. Sie zog sich in ihr Atelier zurück und widmete sich ganz ihrer Kunst. Und obgleich die auf ihre kühle Art wunderschöne und nunmehr anhangslose Elsa Peach etliche glühende Bewunderer angezogen hatte, war es nach dem Wissen ihrer Kinder keinem von ihnen jemals gestattet worden, ihr nahezukommen.
    Seit der Scheidung war die Küche zu einem zusätzlichen Lagerraum für Elsas Farben, Pinsel und Leinwände geworden und roch dementsprechend nach Terpentin. Der Kühlschrank stand in der Garage. Der Herd war seit dem Auszug ihres Mannes nicht mehr angestellt worden.
    Nach und nach hatte sich im Hause Peach ein neuer Ess-Stil herausgebildet. Die Nahrungsmittelversorgung war mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Elsa selbst ernährte sich inzwischen fast ausschließlich von Milchpulver, Instant-Kaffee, Gemüsebrühe und einem gelegentlichen Beutelchen Vitamin-C-Pulver, wenn sie es wirklich krachen lassen wollte. Familienmahlzeiten gab es nicht mehr. Stattdessen hortete jeder etwas Essbares für sich. Die Kinder hatten einen Toaster und einen Wasserkessel in ihrem »Schlafsaal« und lebten im Wesentlichen von Frühstücksflocken und dem Schulessen.
    Im Großen und Ganzen machte es ihnen nichts aus. Ihre Interessen waren anders gelagert. Nach der Schauspielschule hatte Hildegard mit ihrem Freund Stephen eine kleine, unabhängige Theatertruppe gegründet. George und sein kleiner Bruder Gus spielten jeweils Cello und Geige und waren ständig bei irgendwelchen Proben für diverse Schulkonzerte oder dergleichen. Teenager Thea war eine fanatische Ballettratte und warf sich andauernd überall im ganzen Haus in Schwanenpose. Es war, als hätten sie sich alle einfach vom Essen abgekoppelt.
    Das heißt, alle außer Imogen.
    Ihre Leidenschaft hatte
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