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Printenprinz

Printenprinz

Titel: Printenprinz
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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dem Gesicht des Mannes erkennen. Wir haben uns gleich gedacht, dass da jemand einen Stein oder etwas Ähnliches von der Brücke auf die Autobahn geworfen haben muss.«
    Die Bestätigung dieser Vermutung lieferte ein Polizeibeamter: »Auf das Opfer wurde aus sieben Metern Höhe ein schwerer Gegenstand geworfen. Dieser Gegenstand hat die Windschutzscheibe durchschlagen und den Mann am Kopf getroffen. Wahrscheinlich war der Autofahrer sofort tot.«
    Nach einigen Sätzen des Korrespondenten über die Identität des Toten und über die Bedeutung von Peter von Sybar für das Printenimperium blieb dem Polizisten auch die letzte Einspielung: »Wer etwas Ungewöhnliches in der Nacht an der Autobahn, auf der Brücke oder auf dem Feldweg zur Brücke bemerkt hat oder glaubt bemerkt zu haben, wird gebeten, sich mit der nächsten Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.«
    Auf eine Frage der Moderatorin im Rundfunkstudio blieb der Korrespondent zwangsläufig die Antwort schuldig: »Nein, es kann nicht gesagt werden, ob Peter von Sybar Ziel dieses Anschlags war oder ob er nur zufällig getroffen wurde und nicht ein anderer Verkehrsteilnehmer.«
    Für Böhnke war dank seines Wissens um die journalistischen Gepflogenheit klar, dass diese Aussage kommen musste; ein wenig Spannung, damit die Hörer bei der Stange und beim Sender blieben. Und dazu gehörte auch der abschließende Hinweis, dass am Abend in der Aktuellen Stunde des WDR-Fernsehens ausführlich in Bild und Ton über das nächtliche Drama, die Aufräumarbeiten und über eine Pressekonferenz der Polizei Aachen am Nachmittag berichtet werde.

    Die Wette, die er mit sich selbst abgeschlossen hatte, musste er als verloren abhaken. Nicht Tobias Grundler, wie von ihm getippt, sondern seine Lebensgefährtin Lieselotte Kleinereich war die Erste, die ihn anrief, wenige Minuten nach dem längeren Korrespondentenbericht im WDR. Auf dem Rückweg zur Apotheke von einem Kunden, dem sie Medikamente gebracht hatte, hatte sie im Autoradio von dem Todesfall gehört.
    »Glaubst du, dass der von Sybar einfach nur Pech gehabt hat oder galt der Wurf gezielt ihm?«, stellte sie ausgerechnet die Frage, die er sich durch den Kopf gehen ließ und auf die er keine Antwort wusste. Er ahnte, worauf sie hinaus wollte. Es war weniger die Frage nach dem Unfall als die Frage, was er nun zu tun gedenke.
    Auch diese Frage beschäftigte ihn mehr, als ihm lieb war. Sollte er dem Wunsch des Seniorchefs immer noch nachkommen, nachdem der Juniorchef tot war? Oder wäre es im Interesse des Seniorchefs, wenn er die Finger von der Sache ließe?
    »Ob es Pech oder Absicht war, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen, Lieselotte«, antwortete er langsam.
    Woher sollte er auch? Er musste wie sie abwarten, was die Ermittlungen der Kollegen zu Tage bringen würden.
    »Und was machst du?«, fragte sie nach einer Denkpause. »Willst du tatsächlich bei von Sybar herumstöbern?«
    Als er ihr von von Sybars Besuch bei ihrem allabendlichen Telefonat berichtet hatte, hatten sie letztendlich beide den Auftrag als unterhaltsame, unverfängliche Abwechslung betrachtet, die überdies gut honoriert wurde. Aber jetzt stellte sich die Situation anders dar.
    »Ich weiß es nicht.«
    Lieselotte war im ersten Moment nicht davon angetan gewesen, als er berichtet hatte, war dann aber auf seine Linie umgeschwenkt. Der Blanko-Scheck hatte sie wankelmütig werden lassen, nicht weil sie sich vom Geld blenden ließ, sondern weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass jemand ohne wichtigen Grund alle finanziellen Grenzen überschritt. Dafür musste jemand sehr wichtige, fast schon existenzielle Beweggründe haben.
    »Der alte von Sybar muss sehr in Nöten sein, wenn der so auf dich baut«, hatte sie gemeint, als Böhnke ihr von dem Scheck berichtet hatte.
    Sollte der Printenkönig etwas geahnt haben? Warum hatte er seine Ahnung nicht ausgesprochen? Böhnke wusste, dass er sich mit solchen Fragen im Kreis drehen würde.
    »Ich weiß es nicht«, wiederholte er. »Ich mache mein Vorgehen abhängig von der weiteren Entwicklung. Vielleicht meldet sich der alte von Sybar bei mir oder bei seiner Tochter.«
    Seine Apothekerin gab sich mit der Antwort zufrieden. »Dann bis heute Abend«, meinte sie. »Ich komme gegen sieben nach Huppenbroich. Dann können wir gemeinsam im Fernsehen gucken, ob es was Neues gibt. Übrigens«, sie hustete kurz, »ich habe ein richtig langes Wochenende, nur für uns beide.«

    Der Hörergriff des Telefons fühlte
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