Printenprinz
sprang das Bild um und zeigte, zu Böhnkes Verdruss, seinen Amtsnachfolger im Polizeipräsidium, den westfälischen Dickschädel, Kriminalhauptkommissar Schulze-Meyerdieck – polizeiintern auch SM genannt – bei der Pressekonferenz. Der Enddreißiger trug immer noch das lange, braune Haar zum Pferdeschwanz gebunden und schaute unter buschigen Brauen mit stechenden Augen und einer grimmigen Mimik in die Kamera.
»Wir gehen von Mord aus«, sagte er energisch, »aber wir wissen noch nicht, ob ein Anschlag auf Peter von Sybar geplant war oder ob Peter von Sybar ein Zufallsopfer geworden ist.« Die Polizei habe zahlreiche Spuren gesichert und hoffe auf die Mithilfe der Bevölkerung. Jeder auch noch so kleine Hinweis könne dienlich sein, behauptete Schulze-Meyerdieck genannt.
»Armutszeugnis«, brummte Böhnke, als damit der Bericht endete, und sah sich angesichts des verständnislosen Blicks seiner Liebsten zu einer Erklärung veranlasst. »Der hat doch im Prinzip zugegeben, dass er nichts hat.« Er grinste schwach. »Allerdings gibt mir eines zu denken.«
Lieselotte stöhnte theatralisch. »Dann sag es doch bitte, Commissario!«
»Hast du etwa das Tatwerkzeug gesehen, sprich, gibt es eine Aufnahme von einem großen Stein, einem Felsbrocken, einem Betonklotz oder einem Holzstamm?«
Die Apothekerin stutzte kurz, dann verneinte sie. »Und was bedeutet das?«, wollte sie wissen. »Gibt es den etwa gar nicht? Oder ist der bei dem Aufprall zerbröselt?«
»Doch, den Tatgegenstand wird es schon geben«, antwortete Böhnke bedächtig. »Aber es muss etwas Besonderes damit sein. Etwas, das wir nicht wissen sollen, oder etwas, das nur der Täter weiß. Wahrscheinlich hofft diese Schnarchtüte SM, dass sich irgendjemand deswegen einmal verrät.« Was ein weiteres Indiz dafür war, dass die Polizei überhaupt keine verwertbaren Anhaltspunkte an der Hand hatte.
Der nachfolgende Filmbericht beschäftigte sich mit Peter von Sybar. In dem Porträt wurde er als Erfolgsmensch in beruflicher, privater und gesellschaftlicher Hinsicht bezeichnet. Es erschien dem Autor des Beitrages offensichtlich nicht angemessen, sich zu kritisch mit dem Mordopfer auseinanderzusetzen. Von Sybars Absicht, eventuell den Firmensitz von Aachen an den Rhein zu verlegen, wurde nur beiläufig erwähnt. Vielmehr wurde der Schwerpunkt auf das soziale und kulturelle Engagement des Printenimperiums in Aachen thematisiert. Wenn vielleicht doch noch eine Konzerthalle, die von einer Bürgerstiftung betrieben werden sollte, gebaut wurde, deren Bau aber mangels Geld bislang gescheitert war, dann wäre es ausschließlich von Sybar zu verdanken, der eine neue Initiative ins Leben gerufen hatte.
Niemand im Betrieb wisse, wie es nun weitergehe, befürchtete der Journalist. Der filmische Schwenk auf die Außengebäude der Printenfabrik blieb bei einem verschlossenen Firmentor hängen. ›Wegen Trauerfall geschlossen‹ stand handschriftlich auf dem eingeblendeten Schild. Als einzige Angehörige nannte der Reporter die Ehefrau Elisabeth von Sybar und den Schwiegervater Heinrich von Sybar. Sie seien in diesen Stunden der tiefen Trauer nicht zu einem Gespräch bereit gewesen. Ihre Konterfeis waren alten Zeitungsaufnahmen entnommen.
»Und jetzt, mein Lieber?« Lieselotte saß neben Böhnke auf der Couch und kraulte ihm den Nacken. »Was gedenkst du zu tun?« Sie hatten lange über die Berichte diskutiert und dabei eine Flasche Rotwein geleert.
»Keine Ahnung. Lass mich eine Nacht darüber schlafen«, antwortete er gähnend.
Im Prinzip hatte er sich schon entschieden, er wartete nur noch auf eine passende Gelegenheit, um es seine Partnerin zu sagen. Er verspürte jedenfalls keine Lust, den Samstag mit Aufräumarbeiten im Garten oder mit dem Umschichten des Brennholzes für den Kachelofen zu verbringen.
5.
Der Blick am Morgen aus dem Schlafzimmerfenster ließ Böhnke frohlocken. Der stramme Regen und der starke Wind, der die alten Apfelbäume auf der Wiese wiegte, machten die Arbeit im Freien unmöglich, was Lieselotte grimmig zur Kenntnis nahm.
»Dann eben Hausputz«, kommentierte sie auf dem Weg ins Bad, während er die Tageszeitung aus dem Postfach holte. Hauptthema des Blattes war, wie Böhnke erwartet hatte, der Tod von Peter von Sybar, dem eine komplette Seite gewidmet worden war.
Er war nach der Lektüre ein wenig enttäuscht, er hatte nicht mehr Informationen erhalten, als er schon aus Funk und Fernsehen wusste. Es war halt das Pech gewesen für die
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