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Printenprinz

Printenprinz

Titel: Printenprinz
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Mal zuvor hier gewesen und hatte heute zum ersten Mal den Zimmerschlüssel beim Portier verlangt. Der Mann hatte ihn beim Namen genannt, obwohl er sich nicht vorgestellt hatte. Er war eben bekannt aus Funk und Fernsehen, nicht zu vergessen aus den Zeitungen, schmunzelte von Sybar vor sich hin, als er in seinen Wagen stieg. Routiniert tippte er die Adresse des Veranstaltungsortes in Köln-Nippes in das Navigationsgerät ein und Sekunden später meinte eine männliche Stimme im schönsten Öcher Slang: »Die Route, wa, die wird jetz op der Stell berechnet. Da kannse druff waate.« Und wenig Momente später hieß es: »Mach, dat de fott küsst. Wennse op der Stroat bess, guckse, dat du direktemang nach räets küsst. Und dann schnack jradus, bis ich dich saach, wie et wigger jeht, wa. Hass’et?«
    Getreu folgte er den Anweisungen seines Navigators. Wenn er Beifahrer hatte, schaute er stets in verblüffte Gesichter, sobald die Stimme die Anweisungen gab. Die meisten verstanden nicht, was sie aus dem Lautsprecher hörten.
    Viele Besucher strömten in die Aula des Schulzentrum, in der es den karnevalistischen Abend der Quartiersgemeinschaft geben sollte, keine große Veranstaltung einer Gesellschaft, vielmehr ein von der Gemeinschaft privat organisiertes Fest mit Kölsch vom Fass und Musik vom Band. Der Kindergarten hatte einen Tanz einstudiert, einige Nachwuchskräfte aus dem Viertel wollten ihre Redebeiträge vortragen und testen, ob sie witzig beim Publikum rüberkamen. Und es sollte ein oder zwei Überraschungsgäste geben.
    Zu seinem Erstaunen wurde von Sybar auch an der provisorischen Kasse vor dem Saaleingang erkannt. Mit ehrlicher Herzlichkeit wurde er von dem Kassierer begrüßt. Man fühle sich geschmeichelt, dass er gekommen sei. Man hätte nie geglaubt, dass er die Einladung annehme, immerhin sei er viel beschäftigt. Selbstverständlich sei er Ehrengast. Von Sybar freute sich über diese Wertschätzung, die ihn nicht daran hinderte, einen 50-Euro-Schein in die kleine Geldkassette zu stecken.
    Der Kassierer, ein älterer, einfach gekleideter Mann, war offensichtlich auch Organisator des Abends. Wenige Minuten später stand er auf der Bühne, begrüßte die zahlreichen Besucher und konnte es sich nicht verkneifen, auch Prinz Pitter III. zu begrüßen, der gerne zu ihnen gekommen sei. Er nötigte von Sybar geradezu, die Bühne zu betreten.
    Laute ›Pitter, Pitter‹-Rufe begleiteten von Sybars Weg zum Mikrofon. Die Menschen wirkten begeistert, er hatte Mühe, sie wieder einigermaßen zu beruhigen. Er gab sich bescheiden. Er sei nicht als Prinz Pitter III. zu ihnen gekommen, sondern rein privat, als Freund des Karnevals, der miterleben wolle, wie der richtige, echte und volkstümliche Karneval im Veedel gefeiert werde. Er wusste, wie er die Menschen einfangen konnte, und der große Beifall und die bestätigenden Rufe zeigten ihm, dass er den richtigen Nerv getroffen hatte. Er sei noch nicht ihr Prinz Pitter III., noch sei er bloß Peter von Sybar. Erst nach der offiziellen Proklamation durch das Festkomitee Anfang Januar werde er Prinz Karneval sein. Als er den Menschen versprach, in der Session noch einmal mit seinem Dreigestirn zu ihnen zu kommen, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr. Von wegen, die Kölner würden ihm mit Skepsis und Abstand begegnen, wie die Funktionäre befürchtet und die Medien geunkt hatten. Hier, wo das jecke Herz von Köln schlug, war es anders. Er würde bei den Kölnern ankommen, glaubte der Mann aus Aachen. Den Menschen war es egal, wer als Prinz agierte. Hauptsache, es war jemand, der mit ihnen sprach und der für sie da war.
    Von Sybar hatte keine Probleme, die neuesten kölschen Karnevalshits mitzusingen, die von CD kamen. Einige Gruppen vom Rhein hatten selbstverständlich seine Regentschaft zum Inhalt von Liedern gemacht, und er sang unbekümmert den Refrain mit, der sich über ihn lustig machte: »Frag mich nicht, wie ich find’s, dass wir haben ’nen Printenprinz.« Daraufhin hatte prompt eine Gruppe aus Aachen einen Liedtext geschrieben, in dem es hieß: »Kölle, nee, was ist das für ne Stadt, die noch nicht mal nen eigenen Prinzen hat.«
    Von Sybar hatte sich dafür eingesetzt, dass dieses Lied nicht an der Rheinschiene gespielt wurde. Für ihn war es eine Geste der Höflichkeit, die Kölner nicht zu verspotten, selbst wenn er persönlich vom Boulevard und zum Großteil auch von Funktionären verhöhnt wurde. Aber deren Häme zählte für ihn nicht. Was zählte,
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