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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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»Und in Kürze ist der Termin beim Amtsgericht. Haben wir bis dahin kein genetisches Gutachten, bedeutet das einen weiteren Aufschub von mindestens sechs Monaten. Währenddessen lacht sich dieser Kinderficker ins Fäustchen. Dabei bin ich mir sicher, daß der Typ in Mülheim ist. Ich weiß es!«
    Wütend hieb er mit der Faust gegen die Seite eines eichenen Aktenschranks. Es machte leise >fmb<.
    »Bis wann brauchst du ihn?« fragte ich.
    Er machte auf dem Absatz kehrt und vermied es, mich anzusehen. Wir näherten uns dem finanziellen Aspekt der Angelegenheit. Je dringender der Fall und je knapper die Frist, desto unverschämter würden meine Forderungen ausfallen; das war uns beiden klar.
    »Bis Mittwoch. Mittwoch Abend, spätestens. Alles, was ich von dir will, ist sein Aufenthaltsort. Mehr nicht. Ruf mich einfach an, sobald du weißt, wo er steckt. Den Rest überlaß mir.«
    Nicht ganz drei Tage. Das hörte sich dringend an und verdammt kurzfristig. Es hieß außerdem, daß ich nicht der erste an diesem Fall war. Wie üblich. Irgendwie wurde ich von der Kanzlei Haubrücher und Co. immer erst dann engagiert, wenn ein gewisser Jemand Anders den Karren in den Dreck gefahren hatte. Ob das möglicherweise damit zusammenhing, daß der gewisse Jemand Anders es besonders gut mit älteren Damen konnte? Vier Blumensorten sind es, die ich mit Sicherheit bestimmen kann, mehr nicht: Rosen, Nelken, Tulpen - und Fuchsien. Fuchsien ganz besonders.
    Ich sagte: »Ich will exakt das gleiche Geld, das ihr an diesen Blödmann Jochen Fuchs verschwendet habt.«
    >Jochen Aal< haben wir ihn schon auf der Schule immer genannt. Ein Schleimer, wenn ich je einen gekannt habe, dabei, wenn man so will, meine örtliche Konkurrenz, und ich würde eher meinen Pimmel in ein Waffeleisen halten, als auch nur ein gutes Wort über ihn zu verlieren.
    Wagenrath fuhr zu mir herum. Es muß eine seltsame Laune seines Schöpfers gewesen sein, diesem großen, runden, gutmütigen Gesicht ein Paar so kleiner, harter Augen mitzugeben.
    »Fuchs hat zwei ganze Wochen daran gearbeitet!« giftete er mich an.
    »Und«, fragte ich gelassen zurück, »hat er ihn?«
    »Hrmpf«, war die ganze Antwort. Er ließ sich wieder in seinen Schreibtischsessel fallen, und wir sahen uns einen Augenblick lang schweigend an, während unsere Hirne mit Zahlen spielten.
    »Tausend«, seufzte er schließlich, »wenn du ihn bis Mittwochabend 24 Uhr ausfindig gemacht hast. Und nur dann.«
    »Fünfhundert, so oder so und vorab«, hielt ich dagegen, »plus zweitausend, sobald ich ihn habe.«
    Ein bißchen Hin und Her, und wir trafen uns bei fünfhundert fix plus tausend Prämie. Wagenrath reichte mir einen DIN-A4-Umschlag und deutete auf die Tür zu seinem Nebenzimmer. Das war's gewesen für ihn, und draußen warteten zahlende Klienten. Ich zögerte einen Moment, bevor ich sagte: »Gib mir am besten noch den Bericht von Fuchs.« Wahrscheinlich wie immer einhundert Seiten säuberlich getippten Schwachsinns, aber die Lektüre könnte mir trotzdem den einen oder anderen Weg ersparen. »Und die Moppen.«
    Er nahm einen weiteren Umschlag aus einer Schublade, gab ihn mir und drückte dann einen Knopf der Gegensprechanlage. »Frau Blomke, bereiten Sie bitten einen Verrechn-« Ich wackelte energisch mit dem Finger. - »Barscheck über fünfhundert De-Emm vor, zahlbar an Kristof Kryszinski.«
    »Können Sie das bitte buchstabieren?« quakte es spitz aus dem Lautsprecher.
    »Nein!« blaffte Wagenrath zurück, »und schicken Sie mir die Nächsten rein!«
    »Zicke«, hörte ich ihn noch leise fluchen, bevor ich die Tür hinter mir schloß.
    Ich steckte mir eine Camel an und zog mir einen Hocker unters Fenster. Peter Schlothen hieß der Gesuchte. Rasch und konzentriert ging ich durch, was Wagenrath mir über ihn zusammengestellt hatte. Viel Neues war es nicht. 43 Jahre alt, einszweiundachtzig groß, 85 Kilo schwer. Polizeiobermeister, nie verheiratet gewesen, wohnte in der Uhlandstraße. Seit sechs Monaten krankgeschrieben. Antrag auf Frührente wegen eines Rückenleidens. Vater, Mutter, sechs Jahre jüngere Schwester wohnten ebenfalls in der Uhlandstraße, vier Hausnummern weiter. Mutter wusch ihm bestimmt bis heute die Wäsche, dachte ich so bei mir.
    Nebenan tobte Wagenrath. »Egon, wie oft habe ich es dir eingebleut: Du bist auf Bewährung draußen!« >Fmb<, Faust gegen Eiche. »Weißt du, wo du wahrscheinlich schon morgen wieder hinwanderst, wenn der Typ seine Aussage nicht zurücknimmt? Seid ihr
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