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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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fremden Bett, platt auf dem Kreuz, mit der Sorte von Kopfschmerz, die einen über Migräne lachen läßt. Etwas spannte in meinem Rücken, und etwas anderes schnürte mir den dicken Zeh ab. Den Rechten. Was zum T- ...? Das Vorhaben, mich einfach aufzusetzen und nachzusehen, brach ich mit einem Aufschrei wieder ab. Es wäre eh zwecklos gewesen, - ich kam nicht hoch, und ein infernalisches Brennen meinen Rücken hinunter ließ mich einen erneuten Vorstoß in dieser Richtung auf unbestimmte Zeit vertagen.
    Wer jemals mit einem viehischen Klopfen in der Birne in völlig unbekannter Umgebung erwacht ist, nur um festzustellen, daß er mit seiner sich wie gehäutet anfühlenden Kehrseite am Laken festklebt, wird wissen, was mich die nächste Viertelstunde beschäftigte. In meinem Beruf nennt man sowas >den Versuch einer Rekonstruktion vorangegangener Ereignisse<.
    Was um alles in der Welt war denn bloß wieder los gewesen? Das erste, was mir in den Sinn kam, war >Gin<. Ab da brach es dann über mich herein. Gin. Oh Gott. Gin. Ausgerechnet. Lauwarm und zwanglos, direkt aus der Pulle. Mich schauderte.
    Eigentlich, erinnerte ich mich schwach, eigentlich hatte ich nur auf ein Bier bei Kottge hereinschauen wollen, war dann aber irgendwie in ein längeres Gespräch verwickelt worden. Auf dem Nachhauseweg hatte ich, wie es aussah, erst in den >Rathsbuden< und danach, obwohl es nicht unbedingt genau am Weg lag, auch noch im >Käse-Eck< einen kleinen Stop eingelegt. Von da zur >Endstation< war es ein logischer Schritt gewesen, schließlich wohne ich direkt darüber, doch muß es mich unterwegs noch ins >Nachtcafe< gezogen haben, ich weiß gar nicht recht warum.
    Rausgekommen bin ich auf alle Fälle spät, sehr spät, und am Arm dieser Rothaarigen.
    Sie waren allesamt kleiner als ich, trugen Baseballkappen und waren sehr flink auf den Füßen. Ihre Fragen waren gehässig, ihre Bemerkungen waren abfällig, ihr ganzes Auftreten bedrohlich. Sie machten, daß ich mich wie ein Bär in einem Bienenschwarm zu fühlen begann. Sie machten mir Angst.
    Drängend und schubsend tanzten sie um mich herum und nannten mich einen Wichser. Einen schmierigen Wichser. Immer wieder >Wichser<. Dabei schoben sie mich vor sich her, weg von dem Laden, weg von der Eppinghofer Straße, weg von den Leuten. Ich sah mich um, niemand sah zurück. Wir kamen zu einem Spielplatz. Unbeleuchtet und verlassen im kalten Nieselregen.
    Sie gingen meine Taschen durch. Fanden mein Notizbuch mit wichtigen Telefonnummern. Nummern, die ich anrufen konnte, sollte ich mich verlaufen. Oder sollte mir sonstwas zustoßen. Es flog in den Dreck. Dann mein Portemonnaie. Das Geld war ihnen zu wenig. Mehr hatte ich aber nicht. Von Minute zu Minute wütender werdend zerrten sie an meinen Sachen, rissen die Taschen heraus. Schließlich sagte ich, was ich immer sage, wenn mich etwas stört, oder wenn ich mich fürchte, so wie da, auf diesem düsteren Spielplatz. Es ist ein dummer Satz, ich weiß das, und doch kommt er in unangenehmen Situationen immer wieder aus mir heraus.
    Ich sagte: »Ich find das gar nicht prickelnd.«
    Mehr nicht. Im nächsten Augenblick knackte es schrecklich in meiner Nase. Eine Faust hatte mich getroffen.
    Gott sei Dank war es kein Spannbettuch. Ruhig, mit vorsichtigen Bewegungen, zupfte ich es ringsrum aus dem Spalt zwischen Bettumrandung und Matratze. Über weite Strecken hatten wir dafür letzte Nacht schon hervorragende Vorarbeit geleistet. Oh, oh, oh.
    Wie sich sehr rasch herausgestellt hatte, war sie keine von der leisen Art. Nein, kein bißchen. Sie hatte gestöhnt, gegrunzt, geschrien und aus vollem Hals gebrüllt. Zumeist Anfeuerungen, aber auch eine ganze Reihe phantasievoller Sauereien und bildkräftiger Vergleiche aus der Tierwelt. (Hatte ich sie wirklich >Nimm mich, mein Stummeläffchen!< schreien gehört? Oder hatte ich das nur geträumt? Nein, das mußte ein Traum gewesen sein. Ganz bestimmt.) Wobei sie nicht eine Sekunde lang davon abgelassen hatte, mich zu bearbeiten wie eine sadistisch veranlagte Zureiterin ein verhaßtes Pferd. Und mir Gin in den Hals zu kippen, wahre Ströme von Gin. Auf Zimmertemperatur. Hu-ha. Mich schauderte. Vorsichtig setzte ich mich auf. Mir schwindelte.
    Einzelheiten unseres amourösen Beisammenseins zogen vor meinem geistigen Auge vorbei wie ein ganzer Russ-Meyer-Film im Zeitraffer.
    In der männlichen Hauptrolle: Kristof Kryszinski, im wahren Leben Privatdetektiv. (Sehr schön diese lange Einstellung, in der er mit
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