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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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können manche Leute blöd aus der Wäsche gucken.
    »Ich krieg dann siebzig Mark für die Anfahrt«, sagte der Fahrer des Abschleppwagens. Er mußte neu sein, denn normalerweise kenne ich Heiners Mitarbeiter. Alle. Und alle mit Vornamen.
    »Gut, gut, gut«, sagte ich und kramte nach Geld, »laß sie schon mal runter.«
    »Also ist das doch Ihr Fahrzeug?« brüllte es von neuem. Der Graukopf hatte sich wieder gefangen. Ich schüttelte nur den Kopf. Wenn ich etwas gut kann, dann leugnen. (Wie war noch das Bart-Simpson-Credo? ... >Ich war's nicht! Keiner hat mich dabei gesehen! Das können Sie nicht beweisen!< . Könnte von mir sein.) Wo, zum Deibel, hatte ich mein Geld? Ich ging meine Taschen durch. Aus dem Augenwinkel erfaßte ich, was den Mann so erregte: Er und seine sonntäglich aufgetakelte Gattin mit dem zum Strich verkniffenen Mund wollten irgendwohin, und die Carina parkte exakt vor ihrer Garagenausfahrt. Sowas.
    »Das macht dann fünfzig Mark für verkehrsbehinderndes Parken«, sagte der eine Bulle.
    »Papiere?« fragte der andere.
    Ich hob eine Hand. Sekunde, Sekunde, eins nach dem anderen.
    »Siebzig Mark«, wiederholte der Schlepper. Und mein Auto hing immer noch am Haken. Ich fand die Papiere, zufällig, und händigte sie aus.
    »Also ist das doch .« - »Nein!!« blaffte ich. Langsam kam mir die Galle hoch. Gerademal Anfang Juni und schon so eine grelle Hitze. Das sah nach einem tollen Sommer aus. Und dann dieses schwachsinnige Gebrüll. Konnte der Kerl nicht sehen, daß ich Kopfweh hatte? Immer noch kein Geld - halt - da war doch ein Schein. In der Hosentasche. Na also. Sicher ein Blauer. Ich holte ihn raus. Hm. Blau stimmte. Was nicht stimmte, war die Anzahl der Nullen. Vorsichtshalber suchte ich noch mal alle Taschen ab. Eine kleine Schar von Gaffern begann sich zu formieren. Keine weiteren Scheine. Kurz entschlossen nahm ich den Abschleppwagenfahrer beiseite, erläuterte ihm, sein Chef sei ein guter Bekannter von mir, und daß es deshalb vollkommen okay wäre, den Wagen runterzulassen, seine Anfahrt würde ich dann morgen früh bezahlen. Er schüttelte nur den Kopf. Hatte strikte Anweisungen. Nichts zu machen.
    Auch gut. Ich war mir meiner Worte eh nicht so sicher gewesen. Seit sie den Rottweiler, den ich Heiner vor einiger Zeit als Wachhund im Tausch für ein Auto besorgt hatte, beim letzten Einbruch gleich mitgeklaut hatten, dürfte es um meinen Kreditrahmen bei der Autoverwertung Sültenfuss nicht zum besten gestellt sein.
    »Kannst du mich wenigstens mit in die Stadt nehmen?« fragte ich, mich in mein Schicksal fügend.
    »Für 'n Zehner, ja.«
    Halsabschneider. Ich gab ihm den Schein und wir schwangen uns hoch in die Fahrerkabine. Der eine Bulle hatte alles notiert, der andere kam und gab mir Führerschein und Zulassung zurück. Konnte ich zahlen? Nein? Mußten sie es eben schriftlich machen.
    »Sie brauchen schleunigst neue Reifen«, meinte er noch. Ich nickte.
    Eifrig kam der Graue angehechelt. »Also ist das doch ihr .« »Fahr los«, sagte ich.
    Von der Stadtmitte bis zur >Endstation< nahm ich den Bus. Einmal zuhause, öffnete ich das Küchenfenster für die Katze, verrammelte dafür das im Schlafzimmer, ließ die Jalousie herunter, zog mich nackt aus und warf mich aufs Bett. Auf den Bauch, versteht sich. Ich griff mir das Kissen mit beiden Armen, schwor mir, niemals, niemals, niemals wieder Schnaps zu trinken, und war beinahe augenblicklich weg.
    Mehr Schläge folgten. So wie gerade noch die Schimpfwörter, hagelten plötzlich aus allen Richtungen Fäuste, Handkanten und Stiefelspitzen auf mich ein. Alles, was dabei zu hören war, waren geknurrte Flüche und schwerer Atem. Es war schrecklich. Ich konnte nichts tun, als mich zu ducken und zu versuchen, meinen Kopf mit den Armen zu schützen. Blut lief mir aus der Nase. Einer trat mir in den Unterleib und ich krümmte mich und drohte hinzufallen, in die kalte Matsche.
    Ein gellender Schrei, und Schläge und Tritte stoppten abrupt. Unter meinem schützenden Arm hindurch sah ich, wie sich einer meiner Angreifer aufbäumte. Ein kleiner, drahtiger Typ ungefähr meines Alters, also so Mitte zwanzig, hing ihm im Kreuz und verdrehte ihm den Arm, und zwar bis, neben dem Schreien, ein ekliges, lautes Knirschen ertönte und der Arm von da ab nur noch nutzlos von der Schulter baumelte. Das Gesicht über dieser Schulter war aschfahl und vollkommen entgeistert. Die anderen drei ließen von mir ab und stürzten sich auf den kleinen Typen.
    Das war keine
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