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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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jemand von hinten zwei Finger in die Seiten gepiekst und Buh! gemacht hatte. Für einen Moment hatte ich befürchtet, es seien die Schläger von gestern, und sie wollten Rache nehmen, doch es war nur Det.
    Natürlich hat er sich entschuldigt. Natürlich half er mir, alles wieder aufzuheben. Er kam auch mit in den Waschsalon, wo er sich sehr beeindruckt davon zeigte, wie selbstverständlich ich den Automaten bediente. Ehrlich, das kann jeder Trottel, doch Det machte viel Aufhebens darum und bewunderte jeden meiner Handgriffe und tat ganz so, als wäre das ganze eine Wissenschaft für sich.
    So war er. Immer freundlich, immer höflich, dabei nie ganz ernst. Eine Stunde in seiner Gesellschaft, und es war fast unmöglich, ihn nicht für den allernettesten Menschen zu halten.
    Mit richtigem Namen heißt der Mann Rudolf Wismuth, doch alle Welt kennt ihn nur unter >Rudi Mißmut<. Lange Jahre als Verkaufsleiter der Firma Heiner Sültenfuss GmbH u. Co KG haben in ihm die Erkenntnis reifen lassen, daß die Menschheit schlecht und man deshalb gut beraten ist, ihr mit Mißtrauen zu begegnen. Niemand hat ihn jemals anders als mit langem Gesicht gesehen.
    »Ich glaub dir kein Wort«, sagte er gerade zu einem lebhaft argumentierenden Italiener, als ich die Baracke betrat. Zwischen ihnen auf dem Tresen lag ein Hauptbremszylinder, offensichtlich Gegenstand einer Reklamation. Der Italiener beteuerte, doch Rudi schüttelte nur beharrlich den Kopf.
    »Da muß ich erst den Chef fragen«, knurrte er schließlich, und an mich gewandt: »Kannst gleich mitkommen, dich will er auch sprechen.«
    »Nu tausch ihm das Teil schon um«, sagte Heiner genervt, bevor Rudi auch nur den Mund aufgemacht hatte.
    »Und du, Kristof, setz dich.« Rudi ging brummelnd wieder raus, und ich nahm Platz. Heiners Büro war eng, sauber und aufgeräumt wie immer. Einzige Neuerung, soweit ich feststellen konnte, war ein Foto in einem Wechselrahmen an der Wand. Es zeigte einen schweinsköpfigen Rottweiler, dem ein Ohr hochstand, während ihm das andere schlapp über das Auge hing. Die weißen Flecken auf seinem Rücken sahen aus, als habe er sich in Domestos gewälzt. (Kleine Schönheitsfehler, für die es einen enormen Preisnachlaß gab). Gleich, so sagte mir mein Instinkt, würden wir auf ihn zu sprechen kommen. Ich rechnete fest mit Vorwürfen. Dabei hatte ich ihm den Köter nur besorgt. Ende, aus. Als Wachhund, sicher, und im Tausch für ein Auto, ja, doch wenn er sich das Vieh wieder klauen ließ, was ging das mich an? Ist doch wahr, oder? - Und trotzdem: Die Leute sind so.
    Heiner legte die Papiere beiseite, mit denen er sich beschäftigt hatte, nahm die Lesebrille ab, sah mich an und sagte mit seiner vom Herumbrüllen auf dem Schrottplatz immer leicht heiseren Stimme und einem schrägen Blick auf das Foto an der Wand: »Da hast du mir ja einen feinen Wachhund besorgt, Kristof!« Wie ich geahnt hatte in vorwurfsvollem Tonfall.
    Sofort setzte ich zu einer Schilderung meiner Sicht der Dinge an, doch Heiner hörte gar nicht zu. Als ich einmal kurz nach Luft schnappte, fragte er unvermittelt: »Du bist doch Detektiv, Kristof, oder?« Mit soviel Zweifel in der Stimme, daß ich mir einen Moment lang selber nicht ganz sicher war. Trotzdem bejahte ich natürlich. Mir schwante etwas.
    »Vierzehn Tage ist das jetzt her«, holte Heiner aus und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, »und du glaubst nicht, was mich die Frau wegen des Hundes nervt! Als ob der das einzige wäre, was geklaut worden ist! Kristof, willst du wissen, was die Drecksäue noch haben mitgehen lassen? Motoren! Ein-und-zwan-zig Stück! Und glaub mal, daß da keine von VW dabei waren. Oder Skoda. Oh, nein! Allein sechs Mercedes-Motoren, davon vier Diesel. Drei von BMW. Ein Rover V8. Ein SaabTurbo, komplett mit Getriebe. Weißt du, was sowas im Austausch kostet, normal? Kannste nicht bezahlen. Und, jetzt halt dich fest: Fünf -« er hielt zur Verdeutlichung die Hand mit gespreizten Fingern hoch, »fünf Stück Porsche-Maschinen; vier 911er und eine 928er. Hatte ich erst eine Woche vorher bei einem Konkurs ersteigert. Hast du eine Ahnung, was die wert sind? Nur eine Ahnung? Du rätst es nicht. Und jetzt kommt das Allerbeste: Weißt du, was mir die Versicherung dafür anbietet?« Eine weitere rhetorische Frage, trotzdem sah er mich an, als ob er eine Antwort erwartete. Ich machte >N-nh.<
    Heiner holte tief Luft und winkte ebenso vielsagend wie resignierend ab. »Kristof«, sagte er gewichtig, »du besorgst
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