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Prickel

Prickel

Titel: Prickel
Autoren: Jörg Juretzka
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einen Pfefferstreuer und ein Eßbesteck und die beiden anderen hatten Knarren gezogen. Trotzdem sind sie jetzt tot.«
    »Er war die ganze Zeit in Venezuela?«
    »Ja, Kristof, mit zwei blutüberströmten Leichen mitten in einem der besseren Restaurants der Stadt fanden es die Behörden ein bißchen früh für Hafturlaub.«
    »Hast du ihm das mit dem Wagen erzählt?«
    »Klar. Ich hab gesagt: >Und stell dir vor, deinen Wagen haben sie geklaut und abgefackelt.< Er hat ein bißchen getobt und wüste Drohungen und Verdächtigungen ausgestoßen, aber mal ganz im Ernst, im Augenblick hat er wirklich andere Sorgen. Und ich auch, Kristof. Denn wenn ich jetzt nicht sofort auflege, zieht die Else los und vergewaltigt den armen, unschuldigen Briefträger.«
    Schließlich tippte ich sie, die Nummer. Die eine.
    Victor Blandette müßte, so schätzte ich, inzwischen Dr. Hfuruhurrs Schädelschraube angesetzt haben. Vielleicht war er auch schon munter am Veröden. Auf alle Fälle aber sollte er sich mitten in einer schwer zu begründenden Operation befinden, für die er keinerlei Zulassung besaß.
    Menden ging dran.
    Ich sagte: »Sie hahen mich kalt geleimt mit dem Besitzer des Autos.«
    »Hätte ich«, antwortete er, »wenn Sie sich hätten lassen.«
    »Und«, fragte ich, »haben Sie Ihren Mann mit dem Überbiß?«
    »Hmmja. Tot. Wie Sie gesagt haben. In einem Teich. Wie Sie gesagt haben. Mit einem Betonklotz um den Hals gebunden und einem detaillierten Geständnis im Abschiedsbrief in der Tasche. Handgeschrieben, handsigniert, mit Wäschetusche, was man immer machen sollte, bevor man sich ertränken läßt.«
    Ich fragte nicht. Menden macht diese Pausen, damit man fragt. Er sollte mich inzwischen besser kennen.
    »Der Mann war Analphabet«, sagte er schließlich, ein wenig mürrisch, weil ich nicht gefragt hatte. »Und ist in den Wochen vor seinem Tod häufiger in Begleitung von einem unangenehmen, kleineren Typen gesehen worden. Wie Sie gesagt haben. Wir haben mittlerweile sämtliche Dienststellen der Umgebung angewiesen, ihre Akten noch mal nach parallelen Fällen zu durchforsten. Bisher sind schon drei vielversprechende Antworten reingekommen.«
    Plötzlich, dachte ich. Plötzlich passiert was. Nur für die meisten der armen Arschlöcher viel zu spät.
    »Womit wir uns jetzt unbedingt einmal zusammensetzen müssen, ist Ihr Klient, dieser Roselius. Sagen Sie ihm das, wenn Sie ihn sehen.«
    Alles zu seiner Zeit, dachte ich. Erstmal müssen wir ihm für ein paar Stündchen die Joints aus den Fingern winden.
    »Der Staatsanwalt ist bereit, alle Anklagepunkte gegen ihn fallenzulassen.«
    »Das wird ihn freuen«, sagte ich.
    »Bleibt diese ungelöste Gefangenenbefreiung.«
    »Ungelöst«, bestätigte ich, mit großem Ernst und Nachdruck. »Doch warum ich eigentlich anrufe - haben Sie was zu schreiben greifbar?«
    »Ja«, sagte er knapp, »schießen Sie los.«
    Zwei, drei ausgelassene Mahlzeiten und die Katze freut sich richtig, mich zu sehen. Nicht, daß sie es zugäbe. Wie manche Frauen ist sie von der ewig vorwurfsvollen Art. Und so singt sie, sobald ich heimkomme, stets ein klagendes, vorwurfsvolles Lied. Der Text geht so: Niiiemals krieg ich Sheeeba, niiemals Gänseleeeber, iiimmer nur so 'n ollen Rotz, Biiilligfraß und Kittekotz.
    Niiiemals Medaiiillons vom Kalb mit einer Sauce Bearnaiiise iiimmer nur 'n Stück Wurst vom Grill mit schaler Mayonnaiiiise.
    Niiihiiiemals krieg ich .
    Das Lied hat 88 Strophen. Wenn ich entsetzt feststellen muß, daß ich nichts für sie zu fressen im Haus habe, singt sie sie alle.
    Doch ich hatte, also gab ich ihr was und sie machte sich ohne weiteres Gemäkel darüber her. Zwei, drei ausgelassene Mahlzeiten und sie ist nicht mal mehr halb so wählerisch wie sonst gerne.
    Das Telefon ging. So ein Zufall.
    »Warum rufst du mich nicht an?« fragte Kim.
    Vorwurfsvoll.
    Eine unter den gegebenen Gegebenheiten gar nicht so leicht zu beantwortende Frage, um nichts einfacher gemacht durch den Umstand, daß ich mir erstmal einen Arm bis zum Ellenbogen in den Hals schieben mußte, auf der Suche nach meiner Zunge, die ich verschluckt zu haben schien.
    Ich meine, sie hatte schließlich mich verlassen, ohne Angabe von Gründen und unter demütigenden Bedingungen obendrein, und die Erinnerung daran alleine hätte jetzt jede, aber auch jede Form von schärfster Erwiderung gerechtfertigt, doch meine Finger fummelten noch irgendwo im Bereich der Milz herum und hatten meinen Artikulationsmuskel noch nicht wieder
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