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PR2605-Die Planetenbrücke

PR2605-Die Planetenbrücke

Titel: PR2605-Die Planetenbrücke
Autoren: Verena Themsen
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Oberkörper. »Es ist eine sehr ehrenvolle, aber auch sehr einsame Aufgabe. Nicht jeder ist dafür geeignet.«
    Ein weiteres etwa hundert Meter durchmessendes Gebäude kam in Sicht, das sich allerdings von den anderen unterschied. Eigentlich war es lediglich ein säulengetragenes rundes Dach und zugleich das einzige Gebilde in Amgheuc, das die typischen Merkmale favadarischer Webearchitektur aufwies. Die Gheucen lagen so dicht, dass man kaum zwischen ihnen hindurchkam, ohne ihre Körper zu berühren. Aus allen Richtungen strebten sie ins Innere des Gebildes oder heraus.
    »Wir betreten die Halle des Sediments«, sagte Blaspa Antublas und strich die roten Bänder glatt, die er ebenso wie die anderen Favadarei an seine Arme geknüpft hatte. »Aus Respekt vor den Toten schweigen wir dort drinnen, bis wir das Gehirn eures Gefährten im Schacht des Totenhirns versenkt und dem Sediment übergeben haben. Wenn wir wieder herausgetreten sind, könnt ihr reden. Möchtet ihr vorher noch irgendetwas sagen oder tun?«
    Jenke schüttelte den Kopf. Sie hatten ihre kleine Zeremonie bereits im Eis abgehalten und dort Abschied genommen. Was hier geschah, betraf nur noch einen kleinen Teil des Mannes, den sie verloren hatten.
    Die Favadarei neigten die Oberkörper, nahmen den Behälter auf und schritten unter das Dach. Jenke und die anderen folgten ihnen stumm.
     
    *
     
    Reglos starrte Aiden auf das Spiegelholo.
    Es war ihm bewusst, dass er bereits sehr lange so stand, die Hände an den Armaturen der Hygieneeinheit. Genauer gesagt, seit er wieder aufgewacht war. Irgendwann war Oberst Nuruzzaman gekommen und hatte ihn etwas gefragt. Was war es noch gewesen?
    Etwas wegen Zacharys Gehirn.
    Aber Zachary war tot. Was scherte ihn da noch sein Gehirn? Das, was zählte, war weg. Er war leer. Etwas war aus ihm herausgerissen worden, und alles, was zurückgeblieben war, war diese gähnende Leere, wo eigentlich etwas sein sollte. Wo jemand sein sollte.
    Zachary.
    War es so, wenn Gliedmaßen abgenommen wurden? Wenn der Körper zu früh endete und Nerven ins Nichts liefen?
    Er hob den Stift, den er im Schrank gefunden hatte, und setzte ihn an den Programmierpunkt knapp hinter dem Ohr.
    »Schwarz!«, sagte er leise.
    Die Mnemopigmente reagierten auf die Signale. Eine schwarze Welle floss von der Kopfhaut über die Haare bis zu deren Spitzen.
    »Zachary!«, wisperte er.
    Etwas regte sich. Ein Zupfen.
    Phantomschmerz.
    Er hatte davon gehört. Manchmal hatten Leute, die ein Gliedmaß verloren, das Gefühl, es immer noch zu spüren, selbst wenn es nicht nachgezüchtet war. Apatou hatte davon erzählt, dass er zwischen den Schritten seiner Operation einmal ein quälendes Jucken am linken Zeigefinger gespürt hatte.
    Phantomschmerz im Geist. Vielleicht nur mein eigenes Ich, das versucht, die Lücke zu füllen. So, wie ich gerade so tue, als wäre ich er. Aber das bin ich nicht. Ich darf mich nicht verlieren. Das ist nicht gut.
    »Mittelblond drei«, sagte er und beobachtete, wie erneut der Farbumschlag geschah, dieses Mal in der anderen Richtung. Er streckte die Hand aus, um den Stift wegzulegen.
    Schwärze umfing ihn. Klappernd fiel der Stift zu Boden.
    Der Atem stockte in Aidens Hals, wollte nicht mehr zu seinen Lungen vordringen. Panisch griff er an die Brust, schlug dagegen, als könne das die Muskeln dazu bringen, sich wieder zu bewegen. Die Beine gaben unter ihm nach.
    Nein. Nein! Ich will nicht auch sterben. Ich will leben!
    Unvermittelt ließ der Krampf nach, und pfeifend schoss Luft in die Lungen. Schwindel überkam ihn, überwältigte ihn und ließ ihn endgültig das Gleichgewicht verlieren.
    Zuckend sank Aiden auf den Boden der Hygienekabine.
     
    *
     
    »Wie geht es nun weiter?«
    Die Gezeiten standen günstig, und so sah Nuruzzaman ein verrauschtes zweidimensionales Bild Jenke Schousboes.
    »Wir haben Ansätze gesammelt, aber nichts entschieden. Ein Teil unserer Ausrüstung ist im Basislager an der Grenze zur Winterstummheit, das wird uns weiterhelfen. Außerdem werden wir die Favadarei mit Nachtsichtbrillen und Kraftverstärkern aus den restlichen SERUNS ausstatten. Alle bekommen Speere, um den Schnee abtasten und sich notfalls wehren zu können. Pettalozzi unterrichtet den Kampf damit. Marcia lehrt die Favadarei das Schießen.«
    »Und du denkst, auf diese Weise könnt ihr die Brücke erreichen?«
    »Wir können nicht mehr tun, als es zu versuchen, oder? Solange wir Ideen haben, sollten wir sie umsetzen. Es ist zu früh, um aufzugeben.
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