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PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

Titel: PR Lemuria 01 - Die Sternenarche
Autoren: Frank Borsch
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einen Notfall.«
    Eine nicht greifbare Unruhe trieb Denetree an diesem Abend an.
    Sie war es gewohnt, dass es sie nach der Schicht auf ihr Fahrrad zog. Die meisten Metach, die Feldarbeit leisteten, waren danach zu müde, um sich zu mehr aufzuraffen, als sich in die halbierte Schwerkraft des Mitteldecks zurückzuschleppen, mit ihrem Metach'ton zu essen, sich in das Netz zu einem Online-Match einzuklinken oder einfach dazusitzen und auf den nächsten Tag zu warten.
    Nicht so Denetree.
    Ja, die Arbeit war hart, aber nach über einem Bordjahr - mehr als der Hälfte ihrer Verpflichtung als Feldhand lag hinter ihr - hatte sie sich an sie gewöhnt. Zuvor waren nur ihre Oberschenkel trainiert, ansonsten war sie ein dürres Gestell gewesen, doch jetzt hatte sie zugelegt. Die Arme, der gesamter Körper waren muskulös geworden. In den ersten Monaten hatte die Anstrengung Denetree beinahe zur Gänze aufgezehrt. Die Schwerkraft des Außendecks drückte Neulinge erbarmungslos zu Boden, machte schon nach wenigen Minuten jede Bewegung zur Qual. Und auf den Feldern geschah nur wenig mithilfe von Maschinen, angeblich, um wertvolle, an Bord stets knappe Energie zu sparen. Denetree war sich sicher, dass dieser Gedanke mitspielte, aber ebenso sehr, dass die Erschöpfung der jungen Metach, die ihren Dienst für das Schiff leisteten, gewollt war. Sie hielt sie davon ab, auf dumme Gedanken zu kommen.
    In der Theorie zumindest. Praktisch gesehen stellte Denetree den Gegenbeweis dar: Ihre endlosen Runden, die sie nach Schichtende auf dem Rad durch das Schiff drehte, fielen nach einmütiger Meinung aller, die sie kannten, eindeutig in die Kategorie »dumme Gedanken«. Nur: Sie waren harmlos. Denetree belästigte niemanden, und solange ihre Touren sie immer wieder zu ihrem Metach'ton zurückführten und am nächsten Tag ihre Arbeitsleistung nicht litt, kam niemand auf den Gedanken, sie ihr zu verbieten; weder ihre Nachbarn, geschweige denn der Naahk oder das Netz.
    Denetree war wie alle übrigen Metach frei.
    Unmittelbar nach Schichtende stieg Denetree auf das Rad, das sie als »ihres« bezeichnete. Es war natürlich nicht ihr eigenes. Kein Metach besaß ein eigenes Rad, nicht einmal der Naahk oder sein engster Zirkel; die Räder gehörten allen gleichermaßen - was aber nicht zwangsläufig bedeutete, dass jeder Metach jedes Rad zu beherrschen vermochte.
    Denetree hatte an dem ihren eine Reihe von Veränderungen vorgenommen; »Optimierungen«, wie sie sie nannte. Die Felgen ihres Fahrrads hatten einen geringeren Durchmesser als die des Standardmodells. Seine Reifen dagegen waren dicker, nicht wie üblich auf einen möglichst geringen Rollwiderstand getrimmt, und hatten ein ausgeprägtes Stollenprofil. Für gewöhnlich pumpte Denetree die Reifen so fest auf, dass nur der innere Ring des Reifens auf dem Untergrund auflag. Ein schmaler, glatter Streifen, der das Fortkommen auf festem Grund erleichterte, dennoch im direkten Vergleich den üblichen, ultradünnen Reifen klar unterlegen.
    Die anderen Mitglieder ihres Metach'ton hatten sie ausgelacht, als sie zum ersten Mal mit ihrem Rad zur Schicht gekommen war. »Seht mal, die verrückte Denetree hat einen Pflug gebaut!«, hatten sie gespottet. »Komm, wühl uns eine Furche!« Erst nachdem sie in einem Rennen das lautstärkste der Großmäuler in Grund und Boden gefahren hatte, war wenigstens der unverhohlene Spott abgeflaut.
    Denetree hatte Glück gehabt, ausgerechnet einen der schwersten Männer als Kontrahenten erwischt zu haben, einen Stier von über hundert Kilo. Sie, die wenig mehr als die Hälfte wog, hatte gegen ihn bestehen können, auch auf dem ungünstigen Untergrund der Straße.
    Denn dafür war ihr Rad nicht gedacht. Es hatte einen niedrigen Schwerpunkt und eine computerunterstützte Schaltung, auf die sie heimlich eine neue, selbst geschriebene Firmware aufgespielt hatte. Mit ihrer Hilfe konnte sie die vorgegebenen Wege verlassen, zwischen den Feldern fahren und sogar durch die Wildnis-Trakte des Schiffes, in die sich nur wenige Metach verirrten, lagen sie doch abseits der Siedlungen und Felder.
    Und die Firmware hatte noch einen zweiten, ebenso wichtigen Effekt: Sie machte das Rad zu Denetrees. Stieg ein anderer in den Sattel, schaltete die Firmware in den Leerlauf. Das Schauspiel, das sich anschloss, kannte viele Variationen, aber nur ein Ende: Der Unglückliche stieg laut fluchend vom Rad, schickte über den Lenkercomputer eine Schadensmeldung an das Netz und ließ das Rad achtlos
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