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PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

Titel: PR Lemuria 01 - Die Sternenarche
Autoren: Frank Borsch
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Beutezüge waren die Höhepunkte seiner Existenz, Stunden, auf die ihr Bruder hin fieberte. Jedem von ihnen ging eine ausführliche Planung voraus, Tage, in denen sich Venrons Aufregung langsam steigerte, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und unaufhörlich mit seinen langen Haaren spielte. An diesen Tagen lächelte er oft und er machte ihr Geschenke, kleine Figuren, die er aus heimlich abgezweigtem Holz oder Metall für sie formte, Vorboten des großen Geschenks neuen Wissens, das er ihr bald bringen würde.
    Von seinem letzten Beutezug war Venron verschlossener denn je zurückgekehrt. Er hatte viel geweint, und fand er endlich Schlaf, gruben sich die Finger seiner Hand nur noch tiefer in Denetrees Hüften, als klammere er sich verzweifelt an ihr fest.
    Dann, vor drei Tagen, hatte er ihr ein Geschenk gemacht. Eine kleine Schachtel, mit Faserband umwickelt. Sie konnte sie mühelos mit einer Hand umfassen. Als sie sie aufmachen wollte, hatte er es ihr verboten. »Nein«, hatte er gesagt. »Nicht jetzt.«
    »Wann denn?«, hatte sie gefragt.
    »Nicht heute. Und auch nicht morgen«, hatte seine Antwort gelautet. »Du wirst wissen, wenn es so weit ist. Versteck es bis dahin an einem sicheren Ort.« Und dabei hatte er es bewenden lassen, so sehr sich Denetree bemüht hatte, ihm weitere Worte zu entlocken.
    Denetree beendete ihre erste Umrundung der Hütte. Sie hatte niemanden getroffen. Wer nicht unbedingt auf dem Außendeck bleiben musste, zog sich abends auf das Mitteldeck zurück, wo man besser vor der Strahlung geschützt war und sich ausruhen konnte.
    Venron plante etwas. Nur was? Manchmal argwöhnte Denetree, dass Venron heimlich Abschied vom Schiff nahm, er nach der Schicht all seine Lieblingsorte aufsuchte, versuchte, Zeit mit den wenigen Freunden zu verbringen, die er hatte.
    Denetree zog immer weitere Kreise, und im selben Maß, wie der dumpfe Schmerz der Erschöpfung in ihre Oberschenkel einzog, überschritt ihre Unruhe die unsichtbare Grenze zur Furcht. Die
    Wege lagen im letzten Licht des Tages verlassen da. Es war beinahe unmöglich, einen Metach zu Fuß oder Radfahrer zu übersehen. Es sei denn, er versteckte sich vorsätzlich vor ihr. Aber das würde Venron ihr nicht antun. Welchen Grund sollte er auch haben, sich vor seiner eigenen Schwester verstecken?
    Es wurde Nacht. Der Lenkercomputer schaltete das Licht zu.
    Venron würde sich nichts antun, oder? Denetree war jung, aber auch sie wusste, dass sich immer wieder Metach das Leben nahmen. Niemand sprach über die Unglücklichen. Das Netz, das sonst jede noch so unwichtige Kleinigkeit aus dem Leben des Schiffs vermeldete, schwieg sich über sie aus. Aber die Selbstmörder, das waren andere. Schwache oder Alte, die den Glauben an die Metach'rath -die Leiter des Lebens - verloren hatten, nicht Leute wie sie, nicht Venron.
    Denetree keuchte. Sie stieg aus dem Sattel, schaltete in einen höheren Gang und versuchte, mit harten Tritten die Furcht aus ihren Gedanken zu vertreiben.
    »Frag doch das Netz!«
    Der spöttische Rat hallte in ihr wieder. Ja, das Netz würde wissen, wo Venron steckte. Nichts - beinahe nichts, es wusste nicht von den Sternensuchern - entging dem Netz. Sie konnte Venron als vermisst melden, dann würde ihm nichts mehr geschehen. Nie wieder. Das Netz würde ihn in seine sorgende Obhut nehmen. Den Magtar, den Psychologen, überstellen, die sich im Innendeck eingerichtet hatten, es niemals verließen - es inzwischen dank ihrer atrophierten Muskeln nicht mehr verlassen konnten - und sich trotzdem anmaßten, besser über das Leben an Bord Bescheid zu wissen als alle Übrigen. Sie würden Venron testen, bis sie zu einem Befund kamen. Sie würden von Venrons Beutezügen erfahren, ihn mit Injektionen traktieren und mit ihren Mitteln voll pumpen, bis er nur noch seinen Namen und »Treue dem Schifft« murmeln konnte, und ihn dann wieder entlassen, ein geläutertes Mitglied der großen Gemeinschaft.
    Aber er würde leben.
    Falls er nicht zu stark war und die Magtar ihn dem Pekoy überstellten.
    Denetree sah einen der einfachen Unterstände auftauchen, die in diesem Teil des Schiffs in regelmäßigen Abständen aufgebaut waren.
    Leben.
    Sie würden Fragen stellen. Warum? Wer noch? Verrat war eine ansteckende Krankheit. Er mochte in einem Individuum heranreifen, sprang dann aber ab einem gewissen Punkt auf andere über, wucherte als Geschwür in vielen. Wollte man verhindern, dass es das Ganze gefährdete, musste man es ausbrennen. Vollständig.
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