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Poseidon - Der Tod ist Cool

Poseidon - Der Tod ist Cool

Titel: Poseidon - Der Tod ist Cool
Autoren: Markus Wand
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der quaderförmigen Anlage aus den fünfziger Jahren, um sein Training im Sportstudio zu absolvieren. Die Oberfläche des Asphalts war zerfressen, eine lepröse, dampfende und aufgeweichte Hülle, die jeden Moment auseinander zu brechen drohte. Als er aus seinem klimatisierten Wagen ausstieg, fiel die Schwüle dieses Kessels wie ein Rudel hungriger Wölfe über ihn her.
    Die Luft flimmerte.
    Verschwommen nahm Frenzel die gelb gestrichenen, sechs Stockwerke hohen Wände des Gebäudes wahr, welche schon bessere Zeiten gesehen hatten. Die Mauern verteilten ihren verbrauchten, fauligen Atem gleichmäßig über den gesamten Platz. An einigen Stellen hing der Verputz lose von den Ziegeln. Alte, abgestoßene Haut, ausgetrocknet, brüchig, die den Blick auf das rosige und verletzliche Innere freigab. In jeder Etage waren außen vor den Fenstern Taubengitter aufgestellt. Ihre Nägel deuteten anklagend gen Himmel – niemand würde dem letzten Gericht entkommen. Den Taubendreck hielten sie trotzdem nicht ab.
    Frenzel öffnete die verglaste Eingangstür zum Südflügel des Bauwerks, welches überwiegend von kleineren Firmen der verschiedensten Gewerbe angemietet worden war. Der Mix eher ungewöhnlich – vom kleinen Schlosserbetrieb bis zu einer Fernsehproduktionsfirma war alles vertreten.
    Im obersten Stockwerk befand sich eine Sternwarte.
    Sofort empfing ihn der klebrige, graue PVC-Boden des kleinen Empfangsbereichs mit seinen krankenhausgrün gestrichenen, ausgebleichten und fleckigen Wänden.
    Es stank nach Lösungsmitteln.
    Fünfzehn Quadratmeter Dritte-Welt-OP-Saal-Atmosphäre mit nur einem Zweck.
    Den Besucher zu den Aufzügen zu begleiten.
    Frenzel entschied sich für den geräumigen Lastenaufzug; bei diesen Temperaturen hatte die Fahrt in das fünfte Geschoss im Personenaufzug etwas Masochistisches. Die bleifarbenen Türen schlossen sich quietschend hinter Frenzel, der die mit Graffiti verschmierten Wände nach neuen Zeichen und Sprüchen absuchte. Er entdeckte alten Kaugummi. Rumpelnd im fünften Stock angekommen, erklomm er noch die zirka dreißig schmalen Stufen im verwinkelten Treppenhaus, hinauf bis zum Sechsten. Das nervöse Neonlicht dämmerte von der Decke und suchte seinen Weg durch die fünfzig Jahre alte Luft, die durch jede Pore des Gemäuers tropfte.
    Der Atem verklebte zu einem schmierigen, talgigen Film.
    Endlich betrat Frenzel das Studio.
    Dieses bestand aus zwei Räumen – dem Trainings- und dem Umkleidebereich. Hier gab es keine Trennung von Mann und Frau. Hier zogen sich alle in einer Umkleidekabine um. Duschten alle in der gleichen Großraumnasszelle, welche an Schul- und Kasernenduschen erinnerte. Beim Betreten umfing einen der spezielle Geruch von Schweiß, Putzmitteln und altem abgestandenem Wasser, welcher aus dem Gully dampfte.
    Das einzige Zugeständnis an die Moderne - die kalkfarbenen Fliesen - waren in den Ecken schwarz vom Schimmel.
    Der architektonische Stil fand sein Pendant im Umkleidebereich.
    Alte Blechspinde, teilweise verbeult, mit Aufklebern übersät, durch selbst mitgebrachte Schlösser zu sichern. Schmale Sitzbänke mit Plastikhaken, wie man sie in jeder Schule in den Gängen findet. Ein kleiner Spiegel an der Wand. Die gleiche stickige Luft wie im Treppenhaus, als klebte sie in den Kleidern. Als klammerte sie sich verzweifelt an alles und jeden, um nicht durch die Dachfenster verloren zu gehen.
    Der Trainingsraum war mit grünem, zerschlissenem Filzboden ausgelegt, an der Decke hingen vereinzelt Ventilatoren.
    Sie eierten im Zeitlupentempo.
    Verzweifelt.
    Sinnlos.
    Der süßlich-saure Mix aus Schweiß und Hormonen brannte in den Augen, schmeckte fahl und abgestanden auf der Zunge. Hinterließ ein Gefühl von Einsamkeit. Er stand im Raum, wie die unzähligen Foltergeräte – unbeweglich, rostig, staubig und tonnenschwer.
    Die Trainingsbänke waren mit Kunstleder überzogen, welches an diversen Stellen durch Isolierband geflickt war.
    Wie alles.
    Zusammengeschustert, abgehalftert und nicht von dieser Welt.
    Die Athleten.
    Verschrobene Typen.
    Mit kaputter Psyche.
    Aufgeblasen und künstlich am Leben erhalten durch das sich ständig wiederholende Mantra des Stemmens, Wuchtens und Stöhnens.
    Des Schlagens von Eisen auf Eisen.
    Klack. Klack. Klack.
    Den immer gleichen unsinnigen Ritualen zwischen den Sätzen. In dieses stinkende Panoptikum der Gerüche, diesen harzigen Strudel aus Empfindungen und menschlichen Geschichten, diesen Basar der Eitelkeiten, tauchte Frenzel auch heute
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