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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung
Autoren: Jenny Siler
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sie hingestellt hatte. Zuerst hatte Valsamis es als seltsames Angebot aufgefasst, doch nun verstand er, dass es als Ausweg gedacht war, keine Vergebung, aber eine Geste der Versöhnung. Dies würde seine letzte Entscheidung sein.
     
    Dick Morrow schaltete die Heckscheibenheizung an und fuhr von innen mit dem Handschuh über die Windschutzscheibe des Range Rover. Die Straße wand sich nach oben, ein Tunnel aus weißen Bäumen und weißem Schnee, der sich grell in der nächtlichen Dunkelheit abzeichnete. Der Schnee war nass und schwer wie Beton, und Morrow spürte, wie die Räder des Wagens kämpfen mussten.
    Etwa hier, dachte Morrow und suchte die Bäume nach einem Licht ab, nach irgendeinem Zeichen menschlicher Behausung. Nach den Satellitenbildern musste Nicoles Haus gleich hinter der nächsten Biegung liegen.
    Ein Hermelin schoss durchs Scheinwerferlicht, der schlanke Körper war mit Schnee gepudert, und Morrow trat auf die Bremse. Sein Herz setzte aus, als die Räder zur Seite rutschten. Für solche Spielchen war er zu alt. Dann tauchte rechts von ihm zwischen den Bäumen eine Einfahrt auf, die bergab führte.
    Er hielt an. Die Schneedecke in der Einfahrt war unberührt. Der Schnee lag wie ein frisches Federbett darauf, nur hier und da von einem Fischgrätmuster unterbrochen, wo ein Weidenlaubsänger oder eine Kohlmeise gelaufen war. Am Fuß des Abhangs lag das dunkle Haus.
    Morrow fuhr mit dem Rover bis zum Ende der Einfahrt, zog die Handbremse an und stieg aus. Er warf einen Blick über Wald und Garten, bis sich seine Sinne an die Stille gewöhnt hatten. Die Luft war schwer vom Holzrauch. Das Feuer im Bauernhaus weiter oben, dachte er, als er sich wieder das Satellitenbild ins Gedächtnis rief. Morrow war erleichtert, als er kampflos das Haus betreten konnte, für alles andere fühlte er sich zu alt.
    Drinnen blieb er stehen. Es war warm, geradezu heiß. Durch einen Türspalt war ein schwaches Feuer zu erkennen.
    Vorsichtig schaute er ins Zimmer. Ganz in der Ecke brannte ein Feuer in einem Holzofen und warf ein schwaches Licht in den Raum, den Morrow jetzt als Küche erkannte. Herd, Kühlschrank, eine Reihe Schränke und mitten im Raum ein Tisch mit drei Stühlen.
    Er brauchte einen Augenblick, bis er Valsamis entdeckte. Er saß im dunkelsten Teil des Zimmers in einem Türeingang.
    »John?« Jetzt konnte er Valsamis auch riechen, den leicht animalischen Geruch eines Verwundeten. Valsamis bewegte sich, und Morrow bemerkte den Verband am Arm, den dunklen Fleck, wo er durchgeblutet war. Neben ihm an der Wand lehnte eine Schrotflinte, deren Lauf im Licht schimmerte.
    »Mein Gott, John, du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt.« Morrow lachte leise, dann schob er die Hand in die Manteltasche und legte sie um den Griff der Browning.
    »Es ist nichts mehr da«, sagte Valsamis und deutete zum Ofen. »Ich habe alles verbrannt.«
    Morrow schwieg. Valsamis sah, wie er die Waffe in seiner Tasche betastete. »Und die Frauen?«, fragte er schließlich.
    »Die schwimmen schon hinter Forte do Bugio«, entgegnete Valsamis. Das war der alte Leuchtturm an der Mündung des Tejo. Eine schwache Lüge, und Valsamis war überrascht, wie anstandslos Morrow sie schluckte.
    Morrow lächelte, als hätte sich mit Valsamis’ letztem Akt der Brutalität eine lang gehegte Vermutung bestätigt. Valsamis dachte an den Jungen auf der Avenida da Liberdade, an seinen Blick, als er Valsamis’ Augen auf sich gespürt hat. Ja, dachte er, auch jetzt hatte es keinen Sinn so zu tun, als wüssten sie nicht, was gespielt wurde.
    »Um die Rechnung habe ich mich auch gekümmert«, fügte Valsamis hinzu, doch Morrow winkte ungeduldig ab.
    »Hast du gehört? Der Guardian hat heute Morgen die Dokumente über die Niger-Uran-Geschichte gebracht. ElBaradei und die Schwänze von der IAEA schreien schon, es sei eine Fälschung.« Wie immer wirkte der obszöne Ausdruck bei Morrow wie ein Fremdwort.
    Valsamis sagte nichts. Die Niger-Dokumente waren eine große Sache, weit wichtiger als die Rechnung aus Lissabon, denn sie belegten die irakischen Bemühungen, in dem afrikanischen Land angereichertes Uran zu kaufen. Zuerst vom MI6 erworben, dienten sie den Amerikanern nun als Kriegsgrund.
    Morrow zuckte die Achseln. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Versteh mich nicht falsch, eine Zeitlang werden wir übel dastehen. Aber wir haben uns verpflichtet.«
    Er warf einen Blick auf das Feuer, als suchte er nach den Überresten der Briefe. »Das siehst du
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