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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung
Autoren: Jenny Siler
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doch ein, oder? Du siehst ein, warum es passieren musste. Es gab keine andere Möglichkeit, es den Menschen begreiflich zu machen. Sproul war nur ein kleines Rädchen.«
    Valsamis schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Wir wollen doch alle das Beste für dieses Land, hörte er Sproul sagen, was natürlich nicht gestimmt hatte. »Du hast den Diebstahl des Lastwagens arrangiert«, sagte Valsamis. »Du bist das gewesen in jenem Sommer. Du hast alles über die Syrer arrangiert.«
    Morrow nickte. »Das siehst du doch ein, oder?«, wiederholte er, als wünschte er sich eine Bestätigung, einen Freispruch. »Die Sache ist größer als wir alle.«
    Valsamis schloss die Augen und war wieder im Hochland von Annam. Er konnte das Mädchen vor sich sehen, ihre nackten Füße im Mondlicht, die Sandalen in der rechten Hand. Sie schleicht hinaus, um ihren Geliebten zu besuchen, hatte er gedacht, nachdem sich der Adrenalinstoß der Angst gelegt hatte und er wieder ruhig denken konnte. Ohne Schuhe, damit es niemand merkt.
    »Verstehe«, sagte er.
    »Sproul hatte recht. Die Rechtgläubigen sind am gefährlichsten.«
    Ein Klicken, eine Waffe wurde entsichert, und Valsamis blickte in den Lauf von Morrows Pistole, die Mündung ein ausdrucksloses Auge.
    »Es tut mir leid«, sagte Morrow.
    Valsamis schüttelte den Kopf. »Tut es nicht.«
    Dann fand Morrows Finger den Abzug, und es blieb nichts mehr zu sagen.
     
    »Zwei Kaffee, bitte.« Ich legte einen 5-Euro-Schein auf die Theke und zündete mir eine Zigarette an, während Graça zur Toilette ging.
    Die Barkeeperin schaltete die Espressomaschine ein, und ich sah im Spiegel, wie sie die Stirn runzelte. Draußen lag grell beleuchtet das Hauptgleis des Bahnhofs von Perpignan, dessen hohe Decke jenseits der Fenster verschwand. Mitternacht, oder schon danach, und die Frau wäre lieber ganz woanders gewesen. Über den staubigen Flaschen flimmerte stumm der Fernseher. Das Wetter auf Euronews.
    Am Ende der Theke lag ein Haufen zerlesener Zeitungen, und ich suchte mir eine Ausgabe von Le Monde und einen Teil des Guardian. Meldung des Tages war die Rede des amerikanischen Außenministers vor den Vereinten Nationen, beide Zeitungen berichteten ausgiebig darüber. Doch mir fiel ein zweiter, kürzerer Artikel im Guardian ins Auge. ATOMBEWEISE DER USA GEFÄLSCHT, verkündete die kleine Schlagzeile.
     
    Die Behauptungen des britischen Geheimdienstes, Saddam Hussein habe versucht, Uran für eine Bombe zu importieren, sind unbegründet und beruhen auf gefälschten Beweisen. "Eine genaue Analyse und Gegenprüfung der Dokumente führte uns definitiv zu dem Schluss, dass sie gefälscht sind", erklärte ein Beamter der internationalen Atomenergiebehörde. Die Fälschung sei ziemlich plump und habe rasch nachgewiesen werden können. Entweder habe sich der britische Geheimdienst leichtfertig täuschen lassen oder von dem Betrug gewusst.
     
    Die Barkeeperin stellte unseren Kaffee auf die Theke, und ich schob die Zeitung beiseite. Im Fernseher hinter ihr liefen Sportberichte, ein Fußballer stürmte aufs Tor zu. Spät, dachte ich und warf noch einen Blick auf den Artikel, doch er war nicht mehr wichtig. Überall herrschte das Gefühl, es sei zu spät, die Maschinerie des Krieges habe uns bereits erfasst.
    »Stimmt was nicht?« Graça setzte sich neben mich auf den Hocker.
    Ich schüttelte den Kopf. »Noch zehn Minuten. Du willst doch nicht den Zug verpassen.« Ich öffnete meine Tasche und gab ihr einen großen braunen Umschlag. »Du kannst nicht mehr zurückkommen, ist das klar? Nicht hierher und nicht nach Lissabon. Jedenfalls für sehr lange Zeit nicht.«
    Graça warf einen Blick in den Umschlag. »Das kann ich nicht annehmen«, sagte sie mit einem Blick auf den dicken Stapel Geldscheine, den ich zu dem brasilianischen Pass gelegt hatte. »Das gehört dir.«
    »Keine Sorge, ich habe etwas zurückgelegt. Außerdem reicht es gerade für ein Flugticket. Ich würde an deiner Stelle nicht lange in Paris bleiben.«
    Sie warf ein Stück Zucker in die winzige Tasse und rührte um. »Was ist mit dir?«
    »Du solltest besser gehen.«
    Sie sah mich an, trank den Espresso in einem Schluck und rutschte vom Hocker. Mir war, als sollte ich etwas sagen, als sollten wir beide etwas sagen, doch wir wussten nicht, was.
    Ich sah ihr nach, bis sie verschwunden war, holte Rahims Rechnung aus der Tasche. Sie war mitgenommen und zerknittert, weil ich sie so lange bei mir getragen hatte. Ja, dachte ich, man hatte uns
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