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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji
Autoren: Robert Harris
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Die eine speiste eine große Zisterne für das Wasser, das im Haus, für das Schwimmbecken und die Springbrunnen im Garten gebraucht wurde; wenn es im Hauptstrang zu einer Verunreinigung kam, würde es, je nach Fassungsvermögen der Zisterne, bis zu einem vollen Tag dauern, bevor sie hier angelangt war. Die andere Abzweigung jedoch leitete vermutlich einen Teil des Wassers der Augusta direkt zu den Fischbecken; wenn es irgendein Problem mit dem Aquädukt gab, würde es sich hier sofort bemerkbar machen.
    Direkt vor ihm nahm jetzt die Szenerie der Tötung Gestalt an: der Herr des Hauses – vermutlich Ampliatus –, der sich verwundert von seinem Stuhl erhob, die Zuschauer, die dem Becken den Rücken zugewandt hatten – alle Augen ruhten auf ihm, als er die letzten Stufen hinunterhetzte. Er rannte auf den Steg der Fischfarm, wurde langsamer, als er sich Ampliatus näherte, hielt aber nicht an.
    »Zieht ihn heraus!«, schrie er, als er an ihm vorbeieilte.
    Mit wütendem Gesicht rief Ampliatus ihm von hinten etwas zu, und Attilius drehte sich, immer noch laufend, um, ging rückwärts weiter und hob die Hände. »Bitte. Zieht ihn schnell heraus!« Ampliatus stand mit offenem Mund da, aber dann hob er, immer noch Attilius anstarrend, langsam die Hand – eine vieldeutige Geste, die dennoch eine Kette von Handlungen in Gang setzte, als hätten alle nur auf ein solches Zeichen gewartet. Der Hausverwalter legte zwei Finger an den Mund, pfiff dem Sklaven mit dem Bootshaken zu und machte mit der Hand eine Aufwärtsbewegung. Der Sklave fuhr herum, stieß mit dem Ende seiner Stange in das Aalbecken, bekam etwas zu fassen und zog es heraus.
    Attilius war fast bei den Rohren. Aus der Nähe betrachtet, waren sie größer, als es von der Terrasse aus den Anschein gehabt hatte. Terrakotta. Ein Paar. Durchmesser mehr als ein Fuß. Sie kamen aus dem Abhang, überquerten die Rampe gemeinsam, trennten sich am Ufer und verliefen dann in entgegengesetzten Richtungen am Rande der Fischfarm entlang. In jedes der Rohre war eine primitive Kontrollplatte eingesetzt – ein loses, gut zwei Fuß langes, quer durchgeschnittenes Stück Terrakotta –, und als er die Platten erreicht hatte, konnte er sehen, dass eine davon bewegt und nicht wieder ordentlich eingesetzt worden war. Ein Meißel lag in der Nähe, als wäre derjenige, der ihn benutzt hatte, gestört worden.
    Attilius kniete nieder und rammte den Meißel in den Spalt, bewegte ihn auf und nieder, bis er fast vollständig eingedrungen war, dann drehte er ihn, damit die flache Seite ihm genügend Raum bot, seine Finger unter die Abdeckung zu schieben und sie freizuhebeln. Er hob sie heraus und kippte sie um, ohne Rücksicht darauf, wie schwer sie fiel. Sein Gesicht war direkt über dem fließenden Wasser, und er roch es sofort. Aus dem beengten Raum des Rohrs entlassen, war der Geruch so stark, dass er sich fast übergeben hätte. Der unverwechselbare Gestank nach Fäulnis. Nach faulen Eiern.
    Der Brodem des Hades.
    Schwefel.
     
    Der Sklave war tot. So viel war offensichtlich, sogar aus einiger Entfernung. Neben dem geöffneten Rohr hockend, sah Attilius, wie seine Überreste aus dem Becken geholt und mit einem Sack zugedeckt wurden. Er sah, wie sich das Publikum zerstreute und den Rückweg zur Villa antrat, während sich die grauhaarige Sklavin in der entgegengesetzten Richtung, hinab zum Ufer, zwischen den Menschen hindurchzwängte. Alle vermieden es, sie anzusehen, und wichen vor ihr zurück, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Als sie den toten Mann erreicht hatte, reckte sie die Hände himmelwärts und begann, stumm von einer Seite zur anderen zu schwanken. Ampliatus nahm sie nicht zur Kenntnis. Er ging zielstrebig auf Attilius zu, gefolgt von Corelia und einem jungen Mann, der ihr ähnelte – vermutlich ihr Bruder –, sowie ein paar anderen Leuten. Einige der Männer trugen ein Messer im Gürtel.
    Attilius richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Wasser. Bildete er es sich nur ein oder ließ der Druck nach? Jetzt, wo die Oberfläche der Luft ausgesetzt war, war der Gestank eindeutig weniger stark. Er steckte die Hände in das fließende Wasser, runzelte die Stirn, versuchte abzuschätzen, wie kraftvoll es floss, während es sich unter seinen Fingern drehte und zuckte wie ein Muskel, ein lebendiges Wesen. Einmal, als er noch ein Junge gewesen war, hatte er gesehen, wie in der Arena ein Elefant getötet worden war – gejagt von Bogenschützen und Männern mit Schwertern,
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