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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji
Autoren: Robert Harris
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bisschen bescheidener lebten, unsere Tugenden belohnt würden. Aber hier war die Natur, sie raste auf ihn zu – unergründlich, alles erobernd, gleichgültig – und er sah in ihrem Feuer die Vergeblichkeit menschlichen Strebens.
    Es fiel ihm schwer, zu atmen oder auch nur im Wind zu stehen. Die Luft war erfüllt von Asche und Sand und einem entsetzlichen Gleißen. Er war am Ersticken, die Schmerzen in seiner Brust waren ein Band aus Eisen. Er taumelte rückwärts.
    Ertrag es, gib nicht auf.
    Ertrag es wie ein Römer.
    Die Woge verschlang ihn.
     
    Den ganzen Rest des Tages ging der Ausbruch weiter, mit frischen Glutlawinen und lauten Explosionen, die die Erde erschütterten. Gegen Abend ließ seine Gewalt nach, und es begann zu regnen. Das Wasser löschte die Brände, wusch die Asche aus der Luft und durchnässte die schwebende graue Landschaft aus flachen Dünen und Senken, unter der die fruchtbare Ebene von Pompeji und die malerische Küste von Herculaneum bis Stabiae verschwunden waren. Er füllte die Brunnen, ließ die Quellen wieder sprudeln und neue Flüsse entstehen, die sich ihren Weg zur See hinunter bahnten. Der Sarnus nahm einen völlig anderen Verlauf.
    Als sich die Luft klärte, kam der Vesuv wieder zum Vorschein, aber seine Form hatte sich grundlegend geändert. Er hatte keinen Gipfel mehr, sondern stattdessen einen Krater; es sah aus, als hätte ein Riese einen gewaltigen Brocken vom Gipfel abgebissen. Eine großer, vom Staub rot gefärbter Mond ging über dieser veränderten Welt auf.
    Plinius' Leiche wurde vom Strand geborgen – seinem Neffen zufolge sah er »weniger tot als schlafend« aus – und nach Misenum zurückgebracht, zusammen mit seinen Aufzeichnungen. Diese erwiesen sich später als so exakt, dass ein neues Wort Eingang in die Wissenschaft fand: »Plinianisch« nennt man »einen Vulkanausbruch, bei dem aus einem zentralen Schlot eine schmale Gassäule mit großer Wucht etliche Meilen hoch emporgeschleudert wird, bevor sie sich seitlich ausdehnt.«
    Die Aqua Augusta floss weiter, wie es sie auch in künftigen Jahrhunderten tun sollte.
    Leute, die am Ostrand des Berges aus ihren Häusern geflüchtet waren, wagten sich noch vor Einbruch der Nacht dorthin zurück, und zahlreich waren die Geschichten und Gerüchte, die in den folgenden Tagen die Runde machten. Von einer Frau hieß es, sie habe ein Kind aus Stein geboren, und außerdem wurde verkündet, dass Steine zum Leben erwacht wären und menschliche Gestalt angenommen hätten. Eine Baumplantage, die an einer Seite der Straße nach Nola gestanden hatte, war auf die andere Straßenseite gewandert und trug mysteriöse grüne Früchte, die angeblich jedes Leiden von Würmern bis zu Blindheit heilten.
    Erstaunlicherweise gab es sogar Überlebensgeschichten. Ein blinder Sklave war angeblich aus Pompeji entkommen und hatte sich auf der Straße nach Stabiae im Bauch eines toten Pferdes verkrochen und war so der Hitze und den Steinen entgangen. Zwei wunderschöne blonde Kinder – Zwillinge – wurden aufgefunden, umherwandernd, unverletzt, in goldenen Gewändern, ohne einen Kratzer am Leibe, und dennoch nicht imstande zu sprechen; sie wurden nach Rom gebracht und in den kaiserlichen Haushalt aufgenommen.
    Am hartnäckigsten von allen hielt sich die Legende von einem Mann und einer Frau, die in der Abenddämmerung des Tages, an dem der Ausbruch endete, direkt aus der Erde zum Vorschein gekommen waren. Es hieß, sie hätten sich wie Maulwürfe mehrere Meilen weit vorangegraben, die ganze Strecke von Pompeji, und waren dort aufgetaucht, wo der Boden sauber war, durchnässt vom Leben spendenden Wasser eines unterirdischen Flusses, der ihnen seinen heiligen Schutz gewährt hatte. Angeblich hatte man sie gesehen, als sie gemeinsam auf die Küste zuwanderten, während die Sonne noch auf den zerschmetterten Umriss des Vesuv fiel und die gewohnte Abendbrise von Capri die rollenden Aschedünen aufwirbelte.
    Aber diese spezielle Geschichte wurde allgemein als weit hergeholt betrachtet und von allen vernünftigen Leuten als Aberglaube abgetan.
     
    Dank
     
    »Ich habe diesen Büchern die Namen meiner Quellen vorangestellt. Das habe ich getan, weil es, meiner Meinung nach, eine erfreuliche Sache ist und eine, die eine ehrenhafte Bescheidenheit beweist, weil man denjenigen seinen Respekt zollt, die den Weg zur eigenen Leistung geebnet haben.«
     
    Plinius, Historia naturalis, Vorwort
     
    Leider kann ich nicht, wie Plinius es getan hat, behaupten, bei
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