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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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und angelegentliches Gespräch führte, hatte ein
    Mädchen Brot, Käse und Branntwein gebracht. Schenk
    goß die beiden Gläser mit jäher Hast hinunter und begann
    gierig das Essen zu verzehren.
    „Nun, das muß ich sagen,“ lachte Will Fischer, wieder
    herantretend, „dein Appetit wenigstens hat bei Deinem
    Leben nicht gelitten.“ —
    Schenk nahm schweigend den Rest des Essens, wik-
    kelte ihn in ein Stück Papier und steckte das Ganze sorg-
    fältig in seine Tasche.
    „Ich werde das meiner Frau bringen,“ sagte er dann halb
    vor sich hin. „Sie wartet schon den ganzen Morgen, und es
    ist doch etwas.“ —
    „Deine Frau! So, so. Sagtest es ja auch zuvor schon.
    Kenn’ ich sie vielleicht? Etwa eine Bekanntschaft von da-
    mals, als wir zusammen — “
    Schenk warf einen zornigen Blick auf seinen Nachbar
    und stieß das leere Glas heftig auf den Tisch.
    „Nun, ereifre Dich nicht!“ begütigte der Andere sogleich.
    „War nur neugierig, wie es eigentlich mit Dir aussieht, seit
    wir auseinander gekommen sind.“ —
    „Wie im Himmel sieht’s bei uns aus, wie im Himmel,
    Will,“ erwiderte Schenk mit wilder Bitterkeit, „wir essen
    nicht und trinken nicht. Es ist ein herrliches Leben, man
    genießt die ganze Schöpfung, man hört die Vögel singen,
    man hat im Sommer die schöne Natur, im Winter das präch-
    tige Eis, und braucht für Alles das gar Nichts zu bezahlen.
    Ich erinnere mich, daß der Pfaffe mir früher sagte, es sei
    eine Gnade Gottes, daß wir geschaffen würden und leben
    dürften. Ich wollte das lange nicht einsehen, aber es ist
    doch wahr, es liegt nur an dem Einzelnen selbst, wenn er
    sich das Leben verkümmert. Das Leben ist doch umsonst,
    wozu sich da plagen und Sorgen machen? Es kömmt am
    Ende doch auf Eins heraus, ob man auf seidenen Kissen
    oder allmählig Hungers gestorben ist.“ —
    „Ich verstehe nicht, was Du da sagst,“ antwortete Will
    Fischer. „Aber wenn Du schon verzweifelst, so thust Du
    Unrecht. Ich weiß eben was für Dich, was Dich auf lange
    Zeit herausreißen kann.“ —
    „Will!“ rief der Handwerker plötzlich erregt.
    „Laß mich los und mach’ keine Flausen. Kennst Du das
    Landhaus drüben in Ch ***?“
    „Ich habe einmal darin gearbeitet.“ —
    „Desto besser. Es wollten ein paar tüchtige Kerle heut
    Nacht Besuch drin machen, aber der Wirth erzählt mir, daß
    sie’s verschieben müssen, weil ihrer zu wenig sind. Wenn
    Du dabei sein willst, kannst Du Dein Schäfchen scheeren
    und Deine Familie ins Trockne bringen.“ —
    Schenk sah seinen Nachbar mit einem festen Blick an
    und sagte dann langsam:
    „Stehlen also. Ich hatte noch nicht daran gedacht, und
    es liegt doch so nahe. Ich glaube, ich habe nicht einmal
    Muth dazu.“ —
    Der Polizeiagent schenkte die Gläser voll und erwiderte
    verächtlich:
    „Es gehört freilich weniger Muth dazu, mit Frau und
    Kind zu verhungern. Uebrigens hätten sie Dich vielleicht
    nur zur Wache gebraucht.“ —
    „Wenn ich sagte, daß mir der Muth fehlte,“ versetzte
    Schenk, „so meine ich, daß ich nicht die Kraft hatte, den
    Gedanken zum Stehlen zu fassen. Es ist wahrhaftig weit
    gekommen. Und doch ist es wahr, das Einzige bliebe mir
    noch übrig. Ich werde mir’s überlegen, Will.“ —
    Mit diesen Worten erhob er sich, fühlte in die Tasche,
    ob er das Essen auch noch habe, und wendete sich nach
    der Thüre.
    „Wenn Du mir Bescheid bringen willst,“ rief Fischer ihm
    nach, „so weißt Du, wo Du mich heut Abend findest.“ —
    
    Schenk wanderte in trübsinnigem Brüten durch die engen
    und schmutzigen Gassen des „schlechten Viertels,“ jener
    Höhlen des Elends und des Verbrechens, wo die aus den
    Kreisen der herrschenden Gesellschaft verstoßene Armuth
    den Fluch ihres Daseins verbirgt.
    In einer niedrigen, baufälligen Hütte kletterte Schenk
    eine Stiege hinauf, und befand sich hier — unter dem
    Dache — in der Behausung der Seinen. Bei dem Ge-
    räusch, welches sein Eintreten verursachte, erhob in der
    Ecke eine Frau ihren Kopf von dem Bettchen eines Kin-
    des, wo sie dessen fieberhaften Schlaf belauscht hatte. Die
    Kleidung dieser Frau war mehr als ärmlich, und in den lei-
    denden von Gram entstellten Zügen ihres Gesichts waren
    auch die letzten Spuren ihrer früheren Anmuth verloren.
    Das Aussehen des Zimmers stimmte traurig mit dem Aus-
    druck der Bewohner überein. Die Möbel bestanden außer
    dem Bettchen des Kindes in einem Stuhl, einer Kommode,
    welche zugleich die Stelle
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