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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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Arbeit
    verlieren würde, und dann hätten ihn ja seine Ersparnisse,
    seine Geschicklichkeit und sein zu dem Ziel verdoppelter
    Eifer vielleicht bald in den Stand setzen können, eine
    eigne Werkstatt anzulegen. Aber das Uebel verzog sich
    nicht, und eine düstere Niedergeschlagenheit bemächtigte
    sich des Unglücklichen. Seine treue Verlobte verbarg ihren
    eignen Kummer über sein Mißgeschick und suchte ihn zu
    trösten und so viel als möglich mit Hoffnungen zu trösten,
    an die sie selbst nicht glaubte. Schenk konnte nicht an-
    ders glauben, als daß ihm unter solchen Verhältnissen eine
    trübe Zukunft bevorstand.
    Der Meister mußte jedesmal in den stillen Monaten, wo
    es weniger Arbeit gab, einige seiner Arbeiter entlassen. So
    lange Schenk im Besitz seiner vollen Kraft und Thätigkeit
    war, hatte er nicht nöthig gehabt, um sein Unterkommen
    besorgt zu sein, jetzt machten ihn tüchtigere Arbeiter sei-
    nem Meister entbehrlich. Der Mann war nicht hart gegen
    ihn gewesen. Er hatte Schenk von früher als einen brauch-
    baren, ordentlichen und willigen Arbeiter schätzen gelernt
    und wollte ihn wegen seines Unglückes nicht von sich sto-
    ßen. So lange er noch die Hoffnung hatte, daß der schwa-
    che Arm des Gesellen sich an die Arbeit gewöhnen würde,
    hatte er Nachsicht und Geduld mit ihm gehabt. Als sich
    jedoch diese Hoffnung verlor, vermochte er nichts mehr
    für Schenks Zukunft zu thun. Er stellte ihn in die zweite
    Klasse der Arbeiter, gab ihm nur geringere Arbeit, welche
    weniger Sorgfalt und Kraft erforderte, und beschränkte
    demgemäß seinen frühern Lohn. Schenk verlor dabei die
    Lust und Liebe zur Arbeit, denn er fühlte sich unverschul-
    deter Weise gedrückt. Der Meister machte ihm jetzt zum
    erstenmal Vorwürfe wegen Nachlässigkeit und wies ihn
    zu größerem Eifer an. Allein Schenk war überhaupt nicht
    mehr der alte. Seine Lage hatte ihn finster und mürrisch
    gemacht, und die Ermahnungen des Meisters fanden statt
    der gehofften Willfährigkeit einen verschlossenen, wider-
    spenstigen Trotz. So kam es denn, daß bei der nächsten
    stillen Zeit der Tischler unter andern Gesellen auch Schenk
    von dem Meister entlassen und arbeitslos wurde.
    
    Nach mehreren vergeblichen Versuchen, bei andern Mei-
    stern ein Unterkommen zu finden, entschloß sich Schenk,
    seine Lage jenem reichen Manne zu offenbaren, der die
    erste Ursache seines Unglücks war. Er hoffte im Stillen,
    daß ihm jener den Grundstein zu einem selbstständigen
    Erwerb legen würde. Eine mittelmäßige Summe reichte
    hin, ihm eine Werkstatt zu gründen. Dann wollte er sich
    Gesellen halten, und wenn er auch selbst nicht viel zu ar-
    beiten vermochte, so konnte er doch durch sein Geschick
    und seine Erfahrung die Arbeit leiten. Damit, so hoffte er,
    wäre ihm eine erträgliche Existenz geschafft gewesen, auf
    die hin er alsdann zu heirathen gedachte.
    Der vornehme Herr hörte ihn gelassen an. Er schien
    wohl zu fühlen, daß er allein der eigentliche Quell des Miß-
    geschicks des Arbeiters war, betrachtete aber seine Ver-
    mittlung als eine Sache der bloßen Mildthätigkeit. Schenk
    wurde auf den folgenden Tag zurückbestellt, und als er
    sich zur bestimmten Stunde einfand, händigte ihm der
    Kassirer im Namen seines Herrn eine kleine Summe Gel-
    des ein. Als Geschenk zur augenblicklichen Unterstützung
    war die Summe nicht unbedeutend, allein um Schenk, wie
    er gehofft hatte, in Stand zu setzen, sich eine Zukunft zu
    gründen, hätte es vielleicht des Doppelten bedurft. Schenk
    war daher angewiesen, das Geld allmählig zu verzehren.
    Der Arme, der nach qualvollem vergeblichem Mühen
    rettungslos im Jammer seines Elends sitzt und täglich die
    Glücklichen im Glanz ihres ererbten Reichthums sieht,
    giebt sich gewöhnlich den thörichten Hoffnungen auf den
    unwahrscheinlichsten, entferntest liegenden Zufall hin,
    welche die kaltblütigen reichen Spekulanten wahnsinnig
    nennen werden. Wenn der Arme seine letzte Hoffnung
    auf eine Nummer des Bankhalters setzt, so schilt ihn die
    gesunde Vernunft einen verächtlichen Thoren, indem sie
    ihm das Betrügerische und Unmoralische des Spiels aus-
    einandersetzt. Der reiche Kaufmann, der in einer Handels-
    krise seinen ganzen Besitz verliert, wird gewöhnlich nur
    bedauert. Im Grunde aber läuft Alles auf dasselbe hinaus.
    In einer Welt, wo der Besitz das Höchste ist, spekulirt und
    spielt Jeder, je nach seinem Vermögen, und die gesunde
    Vernunft dessen, was man ehrlichen Handel nennt,
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