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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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ist
    nicht minder auf Betrug und Immoralität gebaut, als die
    Thorheit des Hazardspiels.
    Als Schenk sein Geld allmählig verschwinden sah, gab
    er sich den unbestimmtesten Hoffnungen hin. Die Hoffnung
    verließ ihn nicht, aber er wußte eigentlich nicht, worauf er
    hoffte. Einmal wollte er sein Glück im Spiel versuchen, aber
    der Gedanke, daß er von dem Rest seines Geldes noch so
    und so viel Tage leben könne, während er hier vielleicht das
    Ganze auf einmal einbüßen würde, hielt ihn wieder zurück.
    Es war ihm immer, als wisse er fest, daß sich diese Lage
    doch noch ändern werde. Wenn er über die Straße ging, so
    blickte er immer rechts und links auf das Pflaster, als ob er
    etwas Verlorenes suche. Diese Hoffnung war unsinnig, nicht
    wahr? Es war auch keine Hoffnung mehr, es war eine be-
    wußtlose Träumerei, da ihm die Wirklichkeit nichts mehr
    bot. Bei einem bestimmten Lebensziel hätte er auch nicht
    nöthig gehabt, auf einen unbestimmten Zufall zu warten.
    Der Anblick der vornehmen sorgenlosen Vergnüglinge ver-
    ursachte ihm ein Gefühl zorniger Bitterkeit, und er fragte
    sich jedesmal, was er denn gethan, daß er im Elend schmach-
    ten müsse, und was wohl jene gethan, daß sie aufgespei-
    cherte Reichthümer verschwelgen dürften? Wenn ein Rei-
    cher seine goldgespickte Börse zog, blieb er unwillkührlich
    stehn, und sein Blick haftete begierig auf den glänzenden
    Münzen. Er dachte, daß diese Summe vielleicht hinreichen
    würde, ihm eine zufriedene Zukunft zu begründen, und
    eine leise Stimme fügte in seinem Innern hinzu: ein vor-
    sichtiger Griff in solch eines Mannes Tasche, und du bist
    gerettet. Als er sich zum erstenmal auf diesem Gedanken
    ertappte, rannte er erschrocken, gleichsam um dem eignen
    Innern zu entfliehen, von dannen. Aber die Versuchung be-
    gann bald darauf wieder damit, daß sie ihm einredete: wenn
    Einer jener Leute solch eine Börse verliert, so wirst du sie
    doch aufheben und behalten; Jenen ruinirt sie nicht und
    dich rettet sie. Dann durchwogten und kreuzten sich die
    Gedanken weiter; der Begriff des fremden Gutes verlor sich
    allmählig in ihm, und wenn er darauf zurückkam, so wußte
    er ihn mit der Antwort zu bekämpfen, daß er eben so viel
    Recht zum Leben wie jeder Andere habe, und daß sein
    Elend eben so unverschuldet, wie der ererbte Reichthum der
    Vornehmen unverdient sei. Zuletzt kam immer jener erste
    Gedanke zurück, und wenn er ihn noch nicht ausführte, so
    geschah es aus Furcht vor der Entdeckung und — weil er
    im Augenblick noch einen ganz kleinen Rest der erhaltenen
    Unterstützung besaß, weil die Noth ihn noch nicht gewalt-
    sam dazu trieb. In seinem Innern war Schenk längst zum
    Verbrecher geworden, bevor und ohne daß er selbst wußte.
    
    Eines Tages wurde Schenk in dem Hause, wo er in Schlaf-
    stelle lag, zu einem Manne beschieden, um eine Uneben-
    heit am Fußboden auszuhobeln. Als er seine Arbeit been-
    digt hatte und sich vom Boden erhob, war der Besitzer des
    Zimmers auf einen Augenblick hinausgegangen. Schenk
    sah mit einer Art ängstlicher Neugierde umher, während
    er die Rückkehr des Mannes erwartete. Da bemerkte er
    dicht am Ofen auf dem Boden eine Brieftasche. Daneben
    stand ein Stuhl, über den einige Kleider gebreitet lagen;
    augenscheinlich war die Brieftasche aus einem der Klei-
    dungsstücke gefallen. Schenk lauschte einen Moment mit
    bangem Zögern, ob Niemand komme. Es war Alles still,
    und ängstlich vorsichtig hob er die Brieftasche auf. Als er
    sie eben geöffnet hatte, und nur den Rand einiges Papier-
    geldes sah, nahte sich von Außen der Schritt des Herrn.
    Schenk wollte die Brieftasche rasch wieder zusammen-
    klappen, aber die zitternde Hast ließ ihn im Augenblick das
    kleine Schlößchen nicht finden, und mit einem plötzlichen
    Entschluß schob er sie unter seinen Rock auf die Brust.
    Als der Mann eintrat, klopfte sein Herz heftig gegen das
    lederne Etui; es war, als wollten die Schläge das geraubte
    Gut von dort wegdrängen. Während ihm der Eigenthümer
    den Lohn für die Tischlerarbeit auf den Tisch zählte, stand
    er in fiebernder Angst vor Entdeckung und die Sohlen
    brannten ihm, den Ort seines Vergehens endlich verlassen
    zu können.
    Zu Hause fand er, daß die Brieftasche nur eine Kleinig-
    keit an Geld enthielt. Er vermochte jedoch nicht, darüber
    zu rechnen, seine Gedanken waren einzig mit seiner bösen
    That beschäftigt. Die Folgen blieben auch nicht aus.
    Als der Besitzer den Verlust seiner
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