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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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Polizei-
    direktor den Fremden hereinzuführen. Der Kellner rief nun
    den Wartenden herbei und begann dann die Speisetische
    abzudecken.
    Der Fremde, der jetzt eintrat, trug einen großen Reiter-
    mantel, dessen Kragen in die Höhe geschlagen war, die
    Haare hingen ihn verwirrt über das Gesicht, und sein
    bespritzter, unordentlicher Anzug deutete darauf, daß er
    eine lange, anhaltende Reise gemacht. Der Polizeidirektor
    betrachtete ihn unruhig und sagte, als der Fremde schwei-
    gend einige Schritte von ihm stehen blieb:
    „Wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?“ —
    „Ich bin ein alter Bekannter, Herr Direktor, der jetzt seine
    Schuld abtragen will!“ — sagte der Andere mit schneiden-
    der, kranker Stimme, indem er den Kragen zurückschlug.
    Ich komme Ihnen nur zu sagen, daß Sie jetzt kein Kind
    mehr haben, daß Sie allein sind, ganz allein!“ —
    Bei dem Ton dieser Stimme, obwohl sie entstellt wie in
    der nahen Auflösung eines Auszehrenden klang, war der
    Polizeidirektor entsetzt zurückgewichen; als er aber jetzt
    das bleiche, todesmatte Gesicht Arthurs erblickte und
    seine Worte vernahm, stürzte er in rasender Wildheit auf
    ihn los und schrie, indem er ihn fest erfaßte:
    „Mörder! Mörder! Zu Hülfe!“ —
    Die Kellner sprangen herzu und konnten nur mit Mühe
    den Fremden von dem wüthenden Griff seines Gegners be-
    freien. Dann brach der kinderlose Mann mit einem Schrei
    zusammen.
    „Er ist verrückt!“ — sagte Arthur, ebenfalls auf einen
    Stuhl sinkend, zu den verwunderten Dienern. „Hebt ihn
    auf, und schafft ihn auf sein Zimmer!“ —
    Seine Worte waren prophetisch. Als der Polizeirath er-
    wachte, war das Licht der Vernunft für immer in ihm erlo-
    schen. Er starb erst nach langen Leiden im Irrenhaus zu ***,
    und sein trauriger Zustand wurde durch die gräßlichsten
    Visionen und Beängstigungen noch furchtbarer gemacht.
    Er sah fortwährend gespenstische Schaaren von Gefange-
    nen und Todten, die ihn und seine Kinder verfolgten; er
    kämpfte stundenlang in wüthendster Aufregung gegen die
    leere Luft, bis er endlich erschöpft niedersank, und oft in
    stiller Nacht fuhren die übrigen Irren zitternd vor seinem
    gellenden, durchdringenden Angstschrei in ihren Zellen
    empor. Der Tod erlöste ihn zuletzt von seinen Leiden.
    Arthur starb schon nach Verlauf einiger Monate und
    wurde neben seiner Mutter begraben.
    Von den beiden Entflohenen hat man nie wieder ge-
    hört; sie sind in der Fremde „gestorben, verdorben.“ Nur
    ein dunkles Gerücht wurde einst dahin laut, daß Aurelio
    Charlotten in Frankreich, wohin sich beide gewendet, ver-
    lassen habe; Charlotte habe sich nun eine Zeitlang küm-
    merlich durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren gesucht,
    dann aber, als es ihr immer schlechter gegangen, sei auch
    sie dem ewigen Fluch der Armuth zum Opfer gefallen und
    zuletzt in einer Strafanstalt gestorben.
    Das war das Ende.
    
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