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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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derselbe hinter sein und Charlottens Ge-
    heimniß gekommen sei. Der neue Freund Aurelio’s war ein
    bleicher junger Mann, von leidendem Aussehen und stil-
    lem Wesen. Er mochte wohl jünger sein, als sein Aeußeres
    schließen ließ, aber Leiden und harte Erfahrungen hatten
    ihn, wie er selbst sagte, früh mürbe gemacht. Er hatte sich
    an Aurelio so angeschlossen, wie das in gewissen Jahren
    zu geschehen pflegt, und der Kunstreiter nahm die Zunei-
    gung des Fremden ebenso, oder wie einen Tribut auf. Der
    Fremde hatte ihn bald auch auf seinem abendlichen Gange
    begleitet, und stand während des Zusammenseins der bei-
    den Verliebten auf Wache. Allmählig hatten Aurelio und
    der Fremde ausführlicher und ernster über dies Verhältniß
    gesprochen. Als nach einem solchen Gespräch der Fremde
    gesagt hatte: „Ein Mann wie Sie findet überall seine Stel-
    lung“, und Aurelio darauf erwiederte: „Ja, aber wie soll ich
    von hier dahin kommen?“ sagte der Erstere, daß er zu je-
    derzeit Pässe verschaffen könne, und fügte dann hinzu:
    „Uebrigens wäre es dann hohe Zeit, denn wer weiß,
    wenn der Alte uns über den Hals kommt!“ —
    Eines Abends standen die beiden Liebenden wieder an
    der Gartenmauer und Aurelio mußte von Scheiden gespro-
    chen und dem Mädchen Vorwürfe gemacht haben, denn als
    der Mond eben aufging, beleuchtete er ihr thränenfeuchtes
    Antlitz. Darauf hatte sie angefangen, von seinem Pferde zu
    sprechen. Aurelio klopfte dem schönen Thiere den Hals
    und sagte, daß es ganz sanft sei: ob sie nicht einmal versu-
    chen wolle darauf zu reiten?
    Das Mädchen zögerte einen Augenblick, stieg aber
    dann vollends über die Mauer. Aurelio hob sie auf’s Pferd,
    und führte dasselbe im langsamen Schritt umher.
    Ganz am Ende der Mauer hatte der Fremde wieder Wa-
    che gestanden. Als er das Mädchen jetzt auf dem Pferde
    des Kunstreiters sitzen sah, verließ er seinen Posten, ging
    nach der entgegengesetzten Seite der Mauer und horchte
    an der Hausthür des Pensionats. Der Hausmann öffnete,
    und der Fremde erzählte ihm etwas, worüber der Mann
    sehr erschrack und sogleich die Treppe hinauf zu den Vor-
    stehern lief.
    Das Mädchen ritt unter den Bäumen an der Garten-
    mauer noch auf und ab, als plötzlich die Hinterthür des
    Pensionatgebäudes aufgerissen wurde und mehrere Leute
    in den Garten stürzten. Das Mädchen faßte angstvoll den
    Arm ihres Geliebten, und flüsterte ihm etwas zu, indem
    sie über die Mauer zeigte. Der Kunstreiter schwang sich
    hinter ihr in den Sattel und ritt rasch und leise um die
    Mauer nach dem Haupteingang des Gebäudes. Hier traten
    eben der Hausmann und mehrere andere Leute in lautem
    Gespräch aus der Thür, und Charlotte hörte ihren Namen
    in den Reden derselben nennen. Sie stieß einen leisen
    Schrei aus und schmiegte sich fest an Aurelio an. Das volle
    verrätherische Mondlicht fiel auf die Gestalt des Reiters
    und der ihn umschlingenden Geliebten, und die Leute fuh-
    ren überrascht zurück. Aurelio beugte sich mit einem hei-
    ßen Kuß über das Mädchen, und gab seinem Pferde einen
    Druck in die Seiten. —
    — Ob es auch ihr Wille war? Und wäre sie wirklich
    noch nicht dazu entschlossen gewesen, so konnte sie doch
    jetzt nicht mehr zurück, nachdem man sie so überrascht
    hatte. —
    Das Pferd des Kunstreiters jagte mit den Beiden in ra-
    sender Eile von dannen, und in wenigen Augenblicken war
    auch der letzte Hufschlag des edlen Thieres in der stillen
    Nacht verhallt.
    
    Der Polizeidirektor W. gebrauchte noch das Bad. Das Aeu-
    ßere dieses Mannes war durch seine letzten Schicksale
    furchtbar zerfallen, und er glich dem unheimlichen Gei-
    sterbild eines gequälten Gewissens. Das starre, glanzlose
    Auge mit seinem ausdruckslosen Glasblick lag tiefer in den
    Höhlen, die Falten um den Mund, die auf einen Rouè oder
    Spieler hätten schließen lassen können, hatten sich breiter
    gefurcht, und die Farbe seines Gesichts war fast bleiern
    geworden. Dennoch glaubte er zu fühlen, daß das Bad sei-
    ner Gesundheit wohl thue. Es war aber nur eine geistige
    Ruhe, die Ruhe einer glücklichen Hoffnung, die ihn auf-
    richtete, und keineswegs das Bad. Es war die Hoffnung auf
    das Glück, nun bald seine Tochter an seiner Seite haben zu
    können.
    An einem Nachmittag saß der Polizeidirektor allein
    noch an der Wirthstafel, als der Kellner ihm meldete, daß
    ein Mann draußen sei, der ihn sprechen wolle. Da Nie-
    mand weiter in dem Speisesaal saß, so befahl der
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