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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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des Tisches versah, einem al-
    ten Kasten, welcher statt eines zweiten Stuhls ebenfalls
    zum Sitz benutzt wurde, und einer einzigen Lagerstätte:
    einem Strohsack, über den eine Decke gebreitet war. Auf
    dem Ofen des Zimmers wurde gekocht, — wenn es et-
    was zu kochen gab, und in diesem glücklichen Falle wurde
    die ohnedies dumpfige Atmosphäre des feuchten, an den
    Wänden schimmelnden Raumes vollends schwül und un-
    gesund. Und doch wären die Unglücklichen auch in diesen
    Räumen zufrieden gewesen, hätten sie nur sich und ihr
    krankes Kind vor der gräßlichen Qual des Hungers schüt-
    zen können:
    Bei dem fragenden Blick, den das matte glanzlose Auge
    seiner Frau auf ihn heftete, zog der Handwerker das Essen
    aus der Tasche und reichte ihr dasselbe schweigend hin.
    „Du hast irgend eine Arbeit bekommen?“ sagte sie lebhaft.
    Schenk hatte sich auf den alten Kasten gesetzt und die
    Hände über das Knie gekreuzt. Ohne nur aufzublicken, er-
    wiederte er nachlässig:
    „Nein. Ich habe das von einem Bekannten aus meiner
    Gefängnißzeit gekriegt.“ —
    Die Frau hielt plötzlich mit Essen inne, und blickte er-
    schrocken bei diesen Worten nach ihrem Manne hin.
    „Fritz!“ rief sie mit ängstlichem Ausdruck, „Du hast
    doch nicht — “
    „Gestohlen, willst Du sagen?“ antwortete Schenk mit
    erzwungenem Lachen, als die Frau inne hielt. „Noch nicht,
    mein Schatz, noch nicht. Nur eine Gelegenheit dazu hat er
    mir angegeben.“ —
    „Gott steh’ uns bei, Fritz! Wie kannst Du nur solche Gedan-
    ken haben! Denkst Du nicht an uns, an das arme Kind — “
    „Eben drum, eben drum! Grade weil ich an Euch denke,“
    sagte der Mann sich erhebend und durchs Zimmer schrei-
    tend. „Ich weiß auch wahrhaftig nicht, weshalb wir uns
    davor zu scheuen brauchten. Wir haben ebensoviel Recht
    zu leben, als die Andern, und wenn sie uns unser Leben
    stehlen, so dürfen wir’s doch wieder stehlen!“ —
    „Fritz, um Gotteswillen, führ’ keine so lästerlichen Re-
    den im Mund! Es ist eine Prüfung, die uns der Herr aufge-
    legt, wir müssen ausharren!“ —
    „Ja, unser ganzes Leben ist eine Prüfung, und wir sind
    nur dazu geboren, daß sich der Herrgott droben an unserm
    Todeskampf erlustiren kann. Drum sind auch die reichen
    Faullenzer geschaffen, für die die armen Leute schaffen
    und rackern müssen, ohne selber was davon zu haben. Die
    Reichen betrügen die Armen, und betrügen sich dann im
    Handel und Wandel wieder untereinander. Der Jammer
    muß sich von oben recht komisch ansehen.“ —
    „Gott verzeih’ Dir die Sünde, Mann!“ rief die entsetzte
    Frau.
    Schenk, der fortwährend im Zimmer auf- und nieder-
    ging, schlug eine grimmige Lache auf.
    „Freilich, freilich! Die Sünde ist nur für uns. Wenn un-
    ser Einer stiehlt oder betrügt, dann ist’s Sünde; wenn Ei-
    nem aber der Kaufmann schlechte Waare auflügt, wenn
    die Kinder der Reichen unsere Kinder um das Glück des
    Lebens bestehlen, dann ist’s Recht und Ordnung. Wir müs-
    sen suchen reich zu werden, um nach Recht und Ordnung
    stehlen und betrügen zu können, so lange aber müssen
    wir’s heimlich thun.“ —
    „Keinen Bissen esse ich von Deinem Sündenbrot!“ rief
    die Frau, indem sie das Essen, welches sie bis dahin in der
    Hand gehalten, von sich warf.
    Schenk ging eine Zeitlang schweigend durch’s Zimmer.
    Als er endlich sah, wie seine Frau das Gesicht in die Hände
    verborgen hatte und leise in sich hineinweinte, trat er an
    sie heran, und sagte milder:
    „Sei ruhig, mein Weib! Achte nicht auf das, was ich Dir
    gesagt habe, die Noth giebt Einem solch’ verrückte Gedan-
    ken ein.“ —
    „Willst Du mir versprechen, Dir solch sündhaftes Zeug
    aus dem Sinne zu schlagen, und Dich nicht wieder mit
    dem elenden Diebspack einzulassen?“ fragte die Frau, in-
    dem sie ihm ihre thränenbenetzte Hand reichte.
    „Ich will Dir versprechen, immer nur an Dich und unser
    armes Kind zu denken,“ erwiederte Schenk, ihr die dargebo-
    tene Hand drückend. „Ich will mich noch einmal an jenen
    reichen Mann wenden, durch den wir eigentlich so in’s Un-
    glück gekommen sind. Vielleicht erbarmt er sich, wenn ich
    ihm unseren Jammer schildere. Du weißt, daß wir morgen
    den Miethsmann bezahlen müssen, wenn wir das kranke
    Kind nicht einem elenden Ende aussetzen wollen.“ —
    In diesem Augenblick erwachte die arme Kleine. Schenk,
    der schon seine Mütze aufgesetzt hatte, näherte sich wie-
    der dem Bettchen, und drückte einen Kuß
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