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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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den letzten stärkenden Trost suchen. Arthur that
    alle Schritte, ihren heißen Wunsch zu erfüllen, aber — es
    war die erste Prüfung seiner Menschennatur! — seine
    Bemühungen blieben fruchtlos.
    Beim Beginn der demagogischen Untersuchungen
    hatte man einen neuen Instruktions-Richter nach *** ge-
    sandt, dem ein seltsamer Ruf vorangegangen war. Herr W.
    war Justizbeamter in einem kleinen Provinzialstädtchen
    gewesen und sollte als solcher sich einer Aktenfälschung
    schuldig gemacht haben. Gewiß ist, daß auf Grund der dar-
    über umlaufenden Gerüchte eine Untersuchung gegen ihn
    eingeleitet wurde, im Lauf welcher einer seiner Unterbe-
    amten sich das Leben nahm. Kurz darauf begann die Jagd
    auf die sogenannten Demagogen und es wurden in diese
    Angelegenheiten mehrere bedeutende, zur Opposition ge-
    hörige Männer verwickelt. Zur selben Zeit begab sich Herr
    W. nach der Residenz, angeblich um wegen des gegen ihn
    verhängten Verfahrens persönlich eine Vorstellung zu ma-
    chen, wie das Gerücht jedoch sagte: um über die Dem-
    agogen-Untersuchung Winke und Mittheilungen zu geben.
    Das Resultat seines Besuchs in der Residenz war, daß die
    Untersuchung gegen ihn niedergeschlagen, er selbst als In-
    struktions-Richter und Polizeidirektor nach *** gesendet
    und ihm die Untersuchung in Sachen der demagogischen
    Umtriebe daselbst übertragen wurde. In dieser Funktion
    bewies er denn bald den thätigsten Eifer. Die Gefangenen
    wurden mit der größten Strenge behandelt, abwechselnd
    bald in häufige, lang anhaltende Verhöre genommen, bald
    wieder erst nach unendlichen Zwischenräumen; es wurden
    ihnen die gleichgültigsten, harmlosesten Briefe zur Erläu-
    terung und Rechtfertigung von einzelnen, unbezüglichen
    Stellen vorgelegt, andere Papiere dagegen, auf welche sie
    sich beriefen, vorenthalten, und die peinliche Bewachung
    ihrer Person ging so weit, daß ein Offiziant zugegen sein
    mußte, wenn der Barbier sie bediente. Dabei sprach sich
    die öffentliche Meinung dahin aus, daß es gerade die der
    Regierung mißliebigen früheren Opponenten seien, gegen
    welche W. am strengsten verfahre.
    An diesen Mann wendete sich Arthur zuerst mit der
    Bitte, seinen Vater auf einige Zeit zu der sterbenden Mut-
    ter zu lassen. W. war ein großer hagerer Mann mit einem
    langen, scharf markirten Gesicht. In seinen Zügen lag eine
    todtenähnliche kalte Starrheit, welche durch die graue
    Gesichtsfarbe, die seltsamen Falten um Augen und Mund
    und den fast gläsernen Blick noch erhöht wurde. Als ihm
    Arthur sein Anliegen vorbrachte, betrachtete er ihn mit sei-
    nem eisigen glanzlosen Blick, daß dem jungen Mann fast
    vor ihm graute, und sagte ruhig und ohne Ausdruck, daß
    er dem Gefangenen eine solche Vergünstigung während
    der Untersuchung nicht gestatten könne. Umsonst bat nun
    Arthur, daß man den Vater wenigstens auf kurze Stunden
    zu der Kranken lassen und jedesmal unter Bewachung bis
    ins Haus und wieder zurück geleiten möge. Der Beamte
    erhob sich wie verabschiedend von seinem Stuhl und ant-
    wortete mit derselben langsamen Eintönigkeit, daß er das
    weder gestatten könne noch wolle.
    Arthur fühlte unter dem kalten, starr auf ihm ruhenden
    Blick einen gährenden Zorn in sich wach werden, aber der
    Gedanke an seine Mutter bewältigte ihn wieder, und er
    sagte mit größerer Lebhaftigkeit, indem er bewegt einen
    Schritt näher trat:
    „Sie haben auch Kinder! Sie wissen, welches Leid in
    dem Gedanken ist, aus dem Kreis der Seinen zu scheiden!
    Um Ihrer Kinder willen denn: gönnen Sie einem Vater den
    Trost, die Seinen noch einmal, bevor er zu spät kommt,
    wiedersehn zu dürfen! Gönnen Sie einer Mutter, wenig-
    stens im Kreis der Ihren zu sterben, damit Sie nicht selbst
    in der Todesstunde verlassen sein mögen!“ —
    Ueber die Züge des Beamten zuckte eine seltsame Re-
    gung. Die Welt sagte, daß dieser starre, egoistische Mann
    dennoch einen Rest menschlicher Gefühle habe, daß er an
    seinen Kindern mit einer Liebe hänge, die man in diesem
    hartherzigen, verschlossenen Sinn nicht ahne. Man wollte
    zuweilen ein Bild häuslicher Glückseligkeit hier gesehen
    haben, in welchem der tyrannische, freundlose Beamte mit
    dem Ausdruck weiblicher Innigkeit im Kreis seiner Kinder
    gesessen, — und doch gab ihm wiederum das Gerücht
    Schuld an dem Tod seiner Frau. Sei es nun wirklich, daß
    die bewegten Worte Arthurs eine Saite in seinem Innern
    berührt hatten, sei es, daß er den Bittenden nur eine kurze
    Hoffnung
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