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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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Schilderhäuschen, in welchem er nach
    jedesmaliger Runde sich aufhielt, mehrmals und immer
    nur, wenn er eben drinnen stand, auf eine furchtbare
    Weise gepoltert und gerüttelt worden sei, ohne daß er der
    Ruhestörer habe habhaft werden können. Das letzte Mal
    jedoch habe er drei Studenten davon laufen und in ein
    bestimmtes Haus einkehren sehen, aus welchem dann in
    der Nacht Niemand mehr herausgekommen sei. In Folge
    dessen waren die drei, in jenem Hause wohnhaften Stu-
    denten auf das Universitätsgericht citirt, und da sie ein
    Alibi zur Zeit des Schabernacks nicht nachweisen konn-
    ten, wegen ruhestörenden Lärmens in zweitägige Karzer-
    strafe verurtheilt worden. Diese indeß hatten das Unglück
    in der That gar nicht angerichtet und beschlossen daher,
    sich an dem unvorsichtigen Nachtwächter gebührend zu
    rächen. Mitten in der Nacht, als die Gassen öde und ruhig
    lagen und der Nachtwächter aller Berechnung nach von
    seiner Runde wieder zurück sein mußte, öffnete sich die
    Hausthür und die drei Studenten mit noch einem vierten,
    den sie ins Geheimniß gezogen, traten auf die Straße. Sie
    trugen ein großes Bret, welches genau auf den Eingang
    des Schilderhäuschens gepaßt war, und dessen vier Ecken
    bereits Löcher zum Einschlagen von Nägeln enthielten.
    Einige Schritte vor dem Stand des Nachtwächters mach-
    ten sie Halt, und Einer untersuchte zuerst vorsichtig das
    Terrain. Bald kehrte er mit der Botschaft zurück, daß der
    Nachtwächter in seinem Wachthäuschen schlafe. Darauf
    zogen sie leise heran, lehnten das Bret an den Eingang der
    hölzernen Bude, und — eins, zwei, drei! — schlugen sie
    mit ein paar Hammerschlägen die Nägel ein. Der Nacht-
    wächter war eingenagelt und wurde trotz seines Polterns
    und dumpfen Murrens erst am Morgen und nicht ohne
    große Umstände von den Nachbarn erlöst. Die Studenten
    aber hatten sich mit stolzer Genugthuung und ungefährdet
    nach Hause begeben.
    Mit dieser Erzählung hatte Eduard denn einen hefti-
    gen Ausfall von Arthurs prinzipieller Kritik hervorgerufen.
    Arthur ließ sich, wie gewöhnlich, weniger über den Vorfall
    selbst aus, er betrachtete nicht den muthwilligen Streich,
    sondern sprach mit großem Ernst über die Motive und ver-
    dammte sie als Rachethat. Im Laufe des Gesprächs wurde
    denn auch bald die eigentliche Sache vergessen, und Beide
    führten nun den Streit über das Prinzip der persönlichen
    Rache, wobei, wie wir gesehen haben, Arthur zuletzt auf
    das konsequente Resultat kam, daß er nie, auch bei syste-
    matisch fortgesetzter Unbill, dem Gekränkten die Rache
    zugestehe.
    Es schien aber fast, als wolle das Schicksal an ihm er-
    proben, wie weit ein Prinzip Macht über die Menschenna-
    tur ausüben könne, denn jenes Thema sollte verhängniß-
    voll in sein Leben eingreifen.
    
    Es hatten zu dieser Zeit eben die demagogischen Unter-
    suchungen begonnen, und wie man weiß, kam dazumal
    mancher angesehene, hochgeachtete Mann heute in poli-
    zeilichen Geruch, der gestern noch in Amt und Würden
    stand. Viele hatten gestern noch ihre Angehörigen unbe-
    fangen und heiter verlassen, um sie erst nach Jahren er-
    graut und morsch aus den Gefängnissen steigen zu sehen.
    Auf ähnliche Weise wurde Arthur bald nach jener Un-
    terredung durch einen Brief seiner Mutter furchtbar über-
    rascht, die ihm tiefergriffen die Gefangennahme seines
    Vaters mittheilte. Der junge Mann ordnete sogleich seine
    Angelegenheiten und eilte in düstern Ahnungen nach
    Hause. Hier fand er seine Mutter auf dem Krankenlager. Sie
    war von Natur schon schwächlich und nervösen Anfällen
    unterworfen gewesen, und die Aerzte waren in letzter Zeit
    mehrmals für ihr Leben besorgt; jetzt hatte die Gemüths-
    bewegung bei ihres Gatten Schicksal sie niedergeworfen
    und ein schleichendes Fieber untergrub ihr Dasein. Arthur
    widmete ihrer Pflege seine ganze Aufmerksamkeit, aber
    er konnte doch den geknickten Lebenstrieb nicht wieder
    aufrichten. Die Kranke wurde allmählig immer hinfälliger
    und schwächer und fühlte zuletzt selbst ihre Auflösung
    nahen. Da richteten sich denn ihre letzten Gedanken und
    Kräfte mit der ganzen glühenden Sehnsucht einer schmerz-
    lich scheidenden Seele auf den Mann, an dessen Seite ihre
    flüchtige Lebensblüthe gerankt hatte. Sie rang in verzwei-
    felnder Anstrengung mit dem Weh eines qualvollen Schei-
    dend und ihr brechendes Herz wollte sich wenigstens in
    einem Abschied noch von dem, der ihr Schutz und Stütze
    gewesen,
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