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Polizei-Geschichten

Polizei-Geschichten

Titel: Polizei-Geschichten
Autoren: Ernst Dronke
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fassen lassen wollte, um sie desto grausamer ver-
    nichten zu können: einen Augenblick schien es, als ob er
    bewegt werde. Aber sein Auge nahm sogleich wieder seine
    ausdruckslose Kälte an und er sagte einförmig ruhig:
    „Ich bedaure, Ihnen keine andere Antwort geben zu
    können, und will Sie nicht Ihrer Zeit berauben, die Sie
    vielleicht zu weiteren Schritten benutzen werden.“ —
    Arthur ging. Er wendete sich zunächst mit seinem Ge-
    such an das Obergericht, erhielt aber zur Antwort, daß
    dasselbe in diesem Falle, bevor nicht die Untersuchungs-
    akten geschlossen wären, inkompetent sei; man müsse es
    ihm überlassen, sich an das Ministerium zu wenden. Ehe
    er aber von diesem einen Entscheid einholen konnte, war
    seine Mutter bereits verschieden.
    Ihre letzten Augenblicke waren voll bitterer Schmer-
    zen gewesen und Arthur litt unaussprechlich dabei. Die
    Kranke hatte bis zum Todeskampf ihre volle Besinnung
    behalten, und in der Qual des Sterbens rief sie umsonst
    den Namen ihres Gatten. Bei jedem Geräusch wendeten
    sich ihre brechenden Augen nach der Thür, ihre zitternden
    Hände tasteten zuletzt noch suchend auf der Decke, um
    die Hand des Ersehnten zu drücken, und aus ihrem Rö-
    cheln noch klang wehmüthig klagend sein Name. Sie starb,
    ohne ihn wiedergesehn zu haben.
    Vor ihrer Beerdigung schrieb Arthur an seinen Vater.
    Er wußte zwar wohl, daß derselbe nicht zum Grabgeleite
    kommen werde, aber er hoffte, daß er vielleicht aus dem
    Fenster seines Kerkers herabschauen werde. Als der Trauer-
    zug an den grauen Mauern des Gefängnisses vorüberkam,
    sah Arthur hinauf nach dem kleinen vergitterten Loch,
    hinter dem, wie er wußte, sein Vater saß. Aber es ließ sich
    nichts blicken. Die Fenster in solchen Kerkern sind sehr
    hoch, fast an der Decke; und wenn auch der Gefangene
    bis dahinan springen könnte, so vermag er doch an dem
    abschüssigen Fensterbret keinen Anhalt zu finden.
    Später erfuhr Arthur, daß sein Vater den Brief zu jener
    Zeit noch gar nicht empfangen, daß der Untersuchungs-
    Richter denselben vielmehr im Verhör zu dem Versuch be-
    nutzt habe, dem Gefangnen ein Geständniß abzulocken.
    
    In Arthurs Seele war tief und unvergeßlich das Bild seiner
    sterbenden Mutter eingegraben, und bei allen Schritten, in
    allen Träumen stand vor seinem Geiste jener erschütternde
    Anblick, wo sie ringend, im Tode noch nach ihrem Gatten
    geseufzt hatte. Aber auch eben so tief und unvergeßlich
    stand daneben das Andenken an den Mann, der ihr den
    letzten, stillen Trost ihrer Sterbestunde mit boshaftem Fre-
    velmuth geraubt hatte. Er suchte umsonst dies geisterhafte,
    starre Bild mit den gespenstischen Augen und den unheim-
    lichen Falten aus seinem Innern zu verwischen, immer wie-
    der glaubte er den grauenhaften, glanzlosen Blick auf sich
    gerichtet zu sehen und die Dolchstiche der langsamen ein-
    tönigen Worte zu vernehmen. Der Haß gegen diesen Mann
    stieg in ihm, je mehr er sich von ihm losreißen wollte.
    „Wenn ich ihn sterben sehen könnte, einsam, verlassen,
    verflucht sterben, in wilder Qual, tausendfach größer als die
    meiner unglücklichen Mutter!“ sagte er öfter bei sich. „Wenn
    ich ihn sehen könnte im Todeskampf, wie er vergebens wim-
    mernd die Hände ausstreckte, wie ihn kein liebender Mund
    tröstete, keine zitternde Hand aufrichtete, und er im Angst-
    schweiß seiner verzweifelnden Seele allein, in wahnsinniger
    Einsamkeit daniedersänke, das könnte mich trösten, ja, ich
    glaube, dann könnte ich wieder lachen, aus Herzensgrund
    lachen, daß ihm im Tode die Ohren gellen sollten!“ —
    Mit diesen Gedanken steigerte er selbst seinen lodern-
    den Ingrimm bis zum heißen Rachedurst.
    „Aber nein,“ sagte er dann weiter, „wie könnte ich noch
    auf eine solche Gerechtigkeit des Schicksals hoffen, das
    meine Mutter so enden ließ! Ich muß sie selbst rächen!
    Ich muß sinnen und denken, wie ich ihn am empfindlich-
    sten treffen kann, wie ich ihm das Liebste entreißen kann,
    damit er einsam und verzweifelnd untergehe!“ —
    Das waren seine Gedanken. Die Leute, welche ihn so
    sahen, wie er bleich und tiefsinnig in den Dämmerstunden
    die Stadt durchstrich und nur zuweilen vor dem Gefängniß
    stehen blieb, um starren Blicks nach einem kleinen, vergit-
    terten Fenster da droben zu schauen, schüttelten mitleidig
    die Köpfe und meinten, daß das Schicksal des Vaters außer
    der Mutter noch ein anderes Opfer getroffen habe.
    
    Der Inquisitionsrichter W. hatte
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