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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star
Autoren: Martin Cruz Smith
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Arkadi stand auf. »Wo sind Sinas Jacke und ihr Beutel?«
    »Die haben wir längst im Meer versenkt«, antwortete Coletti.
    »Kein Mensch wird das Zeug je finden. Ich meine, wer hätte schon damit rechnen könne, daß so ein Scheißnetz das Mädchen auffischt?«
    »Ridley hat Sina umgebracht. Hat er auch Mike getötet?«
    »Ich hab mit der ganzen Sache nichts zu tun. Ich war in der Bar. Dafür hab ich Zeugen«, beteuerte Coletti. »Außerdem, was nützt die Fragerei jetzt noch?«
    »Ich verschaffe mir nun mal gern Gewißheit.«
    Karp warf das freie Ende des Stricks vier Meter hoch über den Heckkran, schnappte das Seil, als es auf der anderen Seite herunterkam, und begann, Ridley Hand über Hand hochzuziehen. Der Ingenieur war ziemlich groß, und doch glitt das Seil reibungslos über den vereisten Balken. Der aufgeknüpfte Körper hatte zu zappeln aufgehört.
    Arkadi trat zu Morgan. »Nun, Kapitän, wie fühlen Sie sich?«
    »Danke, Renko, es könnte schlimmer sein. Wenigstens habe ich mir nichts gebrochen. Und wir haben Morphium und Penizillin an Bord.« Morgan hustete und spuckte winzige Splitter aufs Deck. »Stahl. Nicht so schlimm wie Blei.«
    »Ach, wirklich?« Arkadi erinnerte sich, daß Susan den Kapitän unverwüstlich genannt hatte; nun, unverwundbar ist Morgan zwar offenbar nicht, dachte er, aber anscheinend wirklich ziemlich unverwüstlich. »Freut mich, daß Sie’s so gelassen nehmen. Trotzdem, selbst ein Übermensch könnte ein Schiff nicht mit nur einem Arm steuern.«
    »Uns wird schon was einfallen, dem Kapitän und mir.« Colettis Züge verrieten, daß er in Windeseile neue Berechnungen anstellte. »Eins sage ich Ihnen, Renko, ich hab ‘ne bessere Chance als Sie. Wie weit glauben Sie wohl, wird Karp Sie kommen lassen?«
    Karp schlang den Strick um die hydraulischen Hebel am Krangerüst, und Ridley schwebte nun ohne Bodenberührung über dem Deck.
    Von unten sah es aus, als schraube sein Kopf sich von den Schultern los, von Ost nach West.
    »Dies ist ein amerikanisches Schiff in amerikanischen Gewässern«, nahm Morgan wieder das Wort. »Sie haben keinerlei konkrete Beweise, Renko.«
    Als Karp vom Portalkran zurücktrat, hob Coletti seine Flinte an die Wange. »Eine Kugel hab ich noch«, zischte er Arkadi zu.
    »Schaffen Sie diesen Irren von Bord!«
    Karp beäugte Coletti abwägend, taxierte die Entfernung zwischen sich und ihm sowie seine Chancen gegen das Streuungsbild einer Schrotflinte. Aber er rührte sich nicht vom Fleck, sein Kampfgeist war erloschen.
    Arkadi trat neben den Trawlmaster. »Jetzt wissen Sie Bescheid.«
    »Renko!« rief Morgan.
    »Ja, was ist?«
    »Gehen Sie auf Ihr Schiff zurück«, sagte der Kapitän. »Ich werde den Funkmast wieder in Ordnung bringen und Martschuk melden, daß wir alles unter Kontrolle haben.«
    Respektvoll sah Arkadi sich auf dem vereisten Schiff um, sein Blick wanderte von dem zerschossenen Bullauge zu Ridleys schwelender Mütze und hinauf zum Körper des Ingenieurs, der am Kreuzbalken des Portalkrans baumelte.
    »Einverstanden«, sagte er. »Aber melden Sie Kapitän Martschuk, daß er zwei Fischer zurückerwarten soll.«
    Arkadi fischte Sleskos Zigaretten aus der Tasche und teilte sie mit Karp. Man hätte glauben können, die beiden Männer hätten sich zu einem harmlosen Spaziergang getroffen.
    »Kennen Sie das Lied von >Ginger Moll    »Ja.«
    »>Du Schlampe, du zupfst dir die Brauen, für wen? Und warum trägst du dein blaues Hütchen, du Hur’?<« Karp sang mit kehliger Tenorstimme. »Ja, so war das mit Sina und mir. Wie Dreck hat sie mich behandelt. >Du weißt es, ich bin verrückt nach dir. Mit Freuden würd ich stehlen für dich, mein Leben lang. Seit kurzem aber, da treibst du’s zu bunt, ja, hast mich betrogen Tag um Tag.<«
    »Ich habe Sie schon auf Sinas Kassette singen hören.«
    »Meine Lieder, ja, die gefielen ihr. So haben wir uns überhaupt kennengelernt. Ich hatte so eine Art Stammtisch im Goldenen Horn. Ein paar Freunde, die sich zusammensetzten, um miteinander zu reden und zu singen. Ich sah, wie sie hinter der Theke stand, uns beobachtete und lauschte. Und da hab ich mir gesagt: >Das wär die Richtige!< Eine Woche später ist sie zu mir gezogen. Ich wußte, daß sie auch mit anderen schlief, aber die Männer bedeuteten ihr nichts, wieso hätte ich also eifersüchtig sein sollen? Sie ließ sich nun mal nicht in die gängigen Schablonen pressen. Wenn Sina eine Schwäche hatte, dann war das ihr Fimmel mit dem Westen. Sie
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