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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star
Autoren: Martin Cruz Smith
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Schrottplatz, die man zu Wasser gelassen hatte, wo sie nun auf ungewisser Fahrt die Wogen durchpflügte.
    Und doch machte das Schiff Tag und Nacht erstaunlich guten Fang. Nein, das war so nicht richtig; kleinere Trawler gingen auf Fischfang und übergaben ihre Netze dem Fabrikschiff zur Verarbeitung: zum Köpfen, Ausnehmen, Einfrieren.
    Vier Monate folgte die Polar Star nun schon amerikanischen Fangbooten in amerikanischen Gewässern, von Sibirien nach Alaska, von der Beringstraße zu den Aleuten. Es handelte sich um ein Joint-venture. Einfach ausgedrückt, lieferten die Sowjets die Verarbeitungsschiffe und übernahmen den Fisch, während die Amerikaner Trawler und Dolmetscher zur Verfügung stellten und das Geld kassierten; gemanagt wurde das Ganze von einer Firma mit Sitz in Seattle, die zur einen Hälfte in sowjetischer, zur anderen in amerikanischer Hand war. Während der letzten vier Monate hatte die Mannschaft der Polar Star höchstens zweimal die Sonne gesehen, aber die Beringstraße trug schließlich den Beinamen »die graue Zone«.
     
    Der Dritte Maat, Slawa Bukowski, schritt die Verarbeitungsgasse ab, wo die Männer gerade den Fang sortierten: Pollack auf das Förderband zu den Sägen, Makrelen und Rochen in die Fischmehlluke. Etliche Fische waren regelrecht explodiert, als ihre Schwimmblasen sich beim Aufstieg vom Meeresgrund überdehnten, und die übriggebliebenen Flocken klebten nun wie Gallert an Mützen, Ölzeugschürzen, Wimpern und Lippen.
    An der Kreissäge vorbei gelangte er zur »Schmutzbrigade«, wo die Arbeiter zu zweit in engen Nischen beiderseits des Förderbands hantierten. Robotern gleich schlitzte das erste Paar die Fischbäuche der Länge nach auf, das zweite Paar saugte mit Staubsaugerdüsen Leber und Eingeweide heraus, und das dritte schwemmte mit Salzwasserstrahlen den Schleim von Schuppen, Kiemen und aus der Bauchhöhle; das letzte Paar saugte den Fisch noch einmal ab, bevor das ausgenommene und gereinigte Produkt dann auf ein Förderband gelangte, das zu den Gefrieranlagen führte. Im Laufe einer Acht-StundenSchicht breitete sich ein Schleier aus breiigem Mark und Blut über Förderband, Arbeiter und Laufgang. Die Leute hier verkörperten auch nicht annähernd den vielbeschworenen Helden der Arbeit, am allerwenigsten der hagere, blasse, dunkelhaarige Mann, der am Ende der Gasse die ausgeweideten Fische aufs Band lud.
    »Renko!«
    Arkadi saugte rötliches Wasser aus einem vorgereinigten Fischleib, warf ihn aufs Kühlband und griff zum nächsten. Der Pollack hatte kein festes Fleisch. Wenn man ihn nicht rasch genug säuberte und einfror, eignete er sich nicht mehr für den menschlichen Verzehr und wurde an Nerze verfüttert; war er auch für die nicht mehr genießbar, ging er als Auslandshilfe nach Afrika. Arkadis Hände waren taub vom langen Hantieren mit den Fischen, die kaum wärmer waren als Eis, aber wenigstens bediente er nicht die Säge wie Kolja. Bei schlechtem Wetter, wenn das Schiff zu schlingern begann, bedurfte es schon einer gehörigen Portion Konzentration, um mit gefrorenen, glitschigen Pollacks am Sägeblatt zurechtzukommen. Arkadi hatte gelernt, seine Stiefel mit den Zehen unterm Tisch festzukrallen, damit er auf den Laufbrettern nicht ausrutschte. Zu Beginn der Reise und nach ihrer Rückkehr wurde die ganze Fabrik abgespritzt und mit Ammoniak geschrubbt, aber in der Zwischenzeit war der Fischraum spiegelglatt, und ein dumpfigorganischer Geruch haftete ihm an. Selbst das Surren des Förderbandes, das Kreischen der Säge und das tiefe, rhythmische Ächzen des Schiffsrumpfes klangen wie das Röhren eines Leviatans, begierig, die See zu verschlingen.
    Das Band blieb plötzlich stehen.
    »Sie sind Seemann Renko, stimmt’s?«
    Arkadi stutzte einen Moment, ehe er den Dritten Maat erkannte, der sich nicht oft unter Deck blicken ließ. Israel, der Leiter der Fabrik, stand am Stromschalter. Er trug mehrere Sweater übereinander, und schwarze Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht fast bis hinauf zu den Augen, die ungeduldig hin- und herrollten. Natascha Tschaikowskaia, eine junge Frau von mächtiger Statur in Ölzeugrüstung, die sich aber mit einem Hauch Lippenstift um eine weibliche Note bemühte, beugte sich verstohlen vor, um die Reeboks und die fleckenlosen Jeans des Dritten Maats besser in Augenschein nehmen zu können.
    »Na, was ist, sind Sie’s?« fragte Slawa noch einmal.
    »Ist kein Geheimnis«, antwortete Arkadi.
    »Das ist hier kein Tanzkurz für junge Pioniere«,
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